11. Neuromarketing-Kongress
München BMW-Welt 25. April 2018
Highway to brain – wie innovative Technologien Menschen und Marketing verändern. Wieder dicht besetzt war das Auditorium, geschätzt gute 350 Teilnehmende haben sich gefunden. Wie in den vergangenen Jahren ein buntes Gemisch aus Wiederholungs“tätern“ und Newcomern – und natürlich von Herstellern wie von Händlern. Vielerlei Themen kamen zur Sprache, die naturgemäß auch und gerade Weiterbildner jeglicher Couleur interessieren können (und sollten). Geht es doch im Marketing wie in der (Weiter-)Bildung um das gleiche Ziel: Wie schaffen wir es (besser), ins Gedächtnis der Zielpersonen unserer Botschaft zu kommen? Einen Bericht dazu gab es übrigens auch in wirtschaft+weiterbildung 6/2018.
Das Internet und alle damit verbundenen innovativen Technologien hat nicht zuletzt das Marketing nachhaltig verändert. Die neuesten Hypes: Künstliche Intelligenz (KI) und Virtual Reality (VR) – Mensch und Maschine arbeiten Hand in Hand, die Grenzen sind fließend. Doch wieviel IT ist eigentlich sinnvoll? Wie fühlen sich Kunden, wenn sie statt mit Menschen mit Maschinen interagieren sollen? Und welche Auswirkungen hat die Digitalisierung schließlich auf unser Gehirn. Diese Fragen beantworteten die Referenten aus verschiedenen Blickwinkeln.
Den Anfang machte der renommierte Psychiater Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer von der Psychiatrischen Universitätsklinik Ulm. In seinem Vortrag zeigte er auf, was die Digitalisierung für das Gehirn bedeutet und wie sich unser Denkapparat durch die sozialen Medien (negativ) verändert. Er erklärte dies am Beispiel der sich rasant verbreitenden Fake News, für die unser Gehirn deutlich empfänglicher ist als für die (meist langweiligeren) Wahrheiten: „Unser Gehirn ist für Ausnahmen angelegt, so lernen wir dazu. Während die Fake News schon um die halbe Welt ist, bindet sich die Wahrheit noch die Schuhe zu.“, lautete seine Erklärung aus psychologischer Sicht. Zudem stellte er Experimente vor, die verdeutlichen, wie simpel es für maschinell erzeugte Einstellungen in den sozialen Medien ist, die Meinung und Gefühle der User zu manipulieren.
Smartphones: Auszeiten sind ein Muss
Prof. Dr. Dr. Christian Montag von der Universität Ulm warnte vor einer exzessiven Smartphone-Nutzung, weil sich dadurch der motorische Cortex im Gehirn verändert – mit negativen Auswirkungen auf unsere Kreativität. „Unser Gehirn wird dann kreativ, wenn wir nichts tun, Smartphones sind deshalb Kreativitätshemmer, wenn wir sie nicht gezielt für einige Stunden am Tag beiseite legen.“
Über User Experience sprach Prof. Danny Franzreb von der Hochschule Neu-Ulm. Er startete seinen Vortrag mit einem Zitat von Steve Jobs: „You can’t start with technology. You need to start with the customer.“ Marketingstrategien müssen sich stets um Menschen statt um die Technik hinter einem Produkt drehen. Auf Basis seiner Forschungsergebnisse riet er den Kongress-Teilnehmern zu ergebnisorientierten Kampagnen, die das Produkt erlebbar machen.
Der zweite Teil des Kongress-Tages gehörte der Praxis: Ralf Pispers, Gründer der Personal Business Machine, zeigte anhand seiner IT-Plattform, wie ein emotionaler Kundendialog mit KI gestaltet werden kann. Das dazugehörige Best-Practice-Beispiel lieferte Karlheinz Eberts, Innovationsmanager der Central Krankenversicherung. Sein Unternehmen nutzt die Technologie, unter anderem um Tarife personalisiert und anhand einer Videobotschaft zu erklären.
Mit Alissia Quaintance stand eine Expertin für VR und KI auf der Bühne. Sie erklärte die Vorteile dieser Technologien und wie sie bereits heute eingesetzt werden. So bietet beispielsweise Audi via VR Ausstattungspakete an. Die Kunden sind von dieser Art der Präsentation so begeistert, dass der Umsatz für Ausstattung um 60 Prozent gesteigert werden konnte.
Marcus Hinz, Vertriebsdirektor bei Google Deutschland erklärte, wie das Suchmaschinenunternehmen auf KI setzt, weil Konsumenten immer besseren Service in Echtzeit erwarten. Die Zukunft liegt seiner Einschätzung nach auf Sprachassistenz und Bildersuche. Darauf sollten die Teilnehmer ihren Marketing-Fokus legen und in entsprechende Technik investieren.
Der „Faktor Mensch“ bleibt wichtig
Einen mutigen Vortrag hielt Dr. Gabriele Castegnaro. Als Mitglied der Geschäftsleitung des Modehauses Konen in München musste sie die Erfahrung machen, dass nicht jedes digitale Feature beim Kunden ankommt. Sie berichtete über das Scheitern ihres Projektes „Curated Shopping im Netz“, das bei ihren Kunden keinen Anklang fand und nach einer kosten- und arbeitsintensiven Entwicklungsphase bereits nach kurzer Zeit wieder eingestellt werden musste. Seitdem setzt der Modehändler wieder verstärkt auf den „Faktor Mensch“ und ist damit bei seinen Kunden erfolgreich.
Auch Dirk van Vliet von Agaro rückte den Mensch in den Fokus: „Technologie ist nicht die Antwort allein, wir brauchen auch in Zukunft die menschliche Inspiration.“ Ziel müsse es sein, den Menschen durch Maschinen zu unterstützen, nicht zu ersetzen.
Zum ersten Mal in der Kongress-Geschichte gab es zwei Breakout Sessions. Klaus Ortner von der Buchhandlung Thalia teilte seine persönlichen Tipps für die Digitalisierung eines Unternehmens mit den Teilnehmern – vom Mut zur Disruption bis zur engen Einbindung der Mitarbeiter in die Veränderungsprozesse. Dr. Ulrich Reiser, Gründer der Fraunhofer Ausgründung Unity Robotics erklärte, wie Roboter im stationären und Onlinehandel als Schnittstelle zur digitalen Welt eingesetzt werden können.
Hanspeter Reiter
hanspeter.reiter@gabal.de
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