Das fahle Pferd
Autor | Boris Sawinkow |
Verlag | Galiani |
ISBN | 978-3-86971-114-0 |
Der Untertitel „Roman eines Terroristen“ sagt recht klar, worum es geht: Dies ist quasi das Tagebuch eines offenbar berühmten Anarchisten in der Übergangszeit zwischen Zarenreich und Sowjetunion. Tag für Tag schildert er in diesem autobiografischen Roman, was in ihm vorgeht, was in seinen Komplizen („Mitstreitern“), im Vorfeld eines Attentats (in mehreren Anläufen) und danach. Der Verlag selbst fasst das so zusammen: „Im Kopf des Terroristen Der Ur-Roman über die Psychologie des Terrors – geschrieben von einem der ersten Berufsterroristen. Eine literarische Entdeckung! Er hat einen britischen Pass, angeblich ist er Engländer. Mit ihm sind vier Komplizen angereist: eine Bombenbauerin und drei Männer, die das Opfer auskundschaften und beim Attentat helfen sollen. Jeder von ihnen will die Bombe werfen. Ein Leben auf einem schmalen Grat. Ein Teil der Gruppe hat schon mit allem abgeschlossen, bei anderen flackern fiebrige Gefühle auf: Die Bombenbauerin ist in den Ich-Erzähler verliebt, einer der Komplizen in sie; dessen Angst, die Bombe könnte bei der Fertigung explodieren und sie in Stücke reißen, ist kein Hirngespinst. Die Gespräche der vier kreisen um Gott, Tod und das Nichts, jeder Tag kann der letzte sein, jeder Satz das Vermächtnis. Ihr Ziel ist der Generalgouverneur, der aber mit einem Attentat rechnet und von Moskau nach Petersburg zieht; die Jäger bleiben auf seiner Spur. Die Stadt ist voller Spitzel und Gendarmen – doch die Terroristen scheuen vor nichts zurück, für sie gibt es nur ein Ziel: den Tod des Gouverneurs. Boris Sawinkow (1879–1925), der Autor des ersten Terror-Romans, wusste genau, wovon er schrieb: Er hatte zahllose Terrorakte gegen das zaristische Regime begangen und sich seinem Todesurteil nur durch Flucht aus dem Gefängnis von Odessa entziehen können. „Das fahle Pferd“ schrieb er 1908, im Pariser Exil. Nach der Revolution begann er, auch die Kommunisten zu bekämpfen, und starb in Russland eines gewaltsamen Todes“, angeblich allerdings durch Selbsttötung. Für den Leser erschließt sich diese Übersetzung aus dem Ur-Text (der später in diversen Editionen verkürzt und abgeschwächt erschienen war) über dieses „Original“ hinaus durch das ausgiebige „Dossier zu Boris Sawinkow“ (S. 203ff.), darin enthalten: Das Handwerk des Tötens – B.S. und der russische Terrorismus (Jörg Baberowski), B.S. – Die fleischgewordene Vision Dostojewskis (Alexander Nitzberg, der Übersetzer des Romans) – und schließlich noch ein Or.-Text von B.S.: Aus den Erinnerungen an Iwan Kaljajew. Interessante Einblicke hier wie dort in die Welt kurz nach der vorigen Jahrhundert-Wende, der Erste Weltkrieg schon erahnbar … HPR