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Maschinendämmerung

Autor Thomas Rid
Verlag Proypläen
ISBN 978-3-549-07469-5

„Eine kurze Geschichte der Kybernetik“ hat offenbar schon ein wenig den Anspruch, etwas Singuläres zu sein, siehe den Anklang an „Eine kurze Geschichte der Zeit“ von Stephen Hawking. Beleuchtet wird „das Zeitalter der Mensch-Maschine“, ein derzeit breit diskutiertes Thema, siehe Roboter-Einsätze – und die wieder kehrende Frage, ob der Mensch bald mal verzichtbar werde … Das kann durchaus zur Frage führen, „Sind wir auf dem Weg in eine schöne neue Cyberwelt? Vernetzte Haushaltsgeräte und selbstfahrende Autos könnten bald so alltäglich sein wie permanentes Lifelogging und Maschinen, die unsere Gedanken lesen. Wie ist es eigentlich dazu gekommen? Wie wurden Maschinen nicht nur Ersatz für unsere Muskelkraft, sondern ein unverzichtbarer Begleiter, dem wir sogar das Denken überlassen? Kontrollieren wir noch unsere Maschinen, oder kontrollieren sie längst uns? In seiner spannenden Kulturgeschichte der Kybernetik schildert Thomas Rid, international renommierter Sicherheitsexperte, die erstaunliche Entwicklung der Kybernetik, eine der Kernideen des 20. Jahrhunderts. Sie begann in den Bombentrümmern des Zweiten Weltkriegs und speiste weitreichende Mythen über eine digital vernetzte Zukunft – von psychedelischen Entdeckungsreisen in den künstlichen Raum hinter dem Bildschirm bis hin zu automatisierter Flugabwehr, bewaffneten Cyborgs und aggressiver Datenspionage. Rids faszinierende Schilderung unserer zutiefst gespaltenen Haltung zum Netz stützt sich auf neue Quellen und zahlreiche Interviews mit Althippies, Krypto-Anarchisten, Polizeiermittlern und Nachrichtendiensten.“ … und bietet zudem eingeschossene Bildstrecken, die das eine oder andere hilfreich illustrieren. Die starke Rolle des Militärs bei diversen Entwicklungen kommt klar zum Ausdruck, ebenso das Hin- und Her-Gerissensein doch immerhin manches Wissenschaftlers, was die möglichen Konsequenzen von derlei Entwicklungen angeht. Auf weit über 400 Seiten (zzgl. eines ausführlichen Anhangs) findet Leser diese Kapitel: Der Aufstieg der Maschinen – Kontrolle und Kommunikation im Krieg – Kybernetik – Automatisierung – Organismen – Kultur – Raum – Anarchie – Krieg – Maschinendämmerung. Eine umfassende Analyse, die interessante Bezüge herstellt – und im abschließenden Kapitel erinnert: „Die Kybernetik ging aus dem Krieg hervor – und kehrte schließlich wieder zum Krieg zurück. Auf das Heilsversprechen der Maschinen folgte ihr Aufstieg und schließlich ihr Fall.“ (S. 411) Und als Ausgangspunkt der IMpusgeber Norbert Wiener: „Er versuchte vorherzusagen, wie sich das von Pilot und Fluggeräte gebildete kybernetische System in den nächsten zwanzig Sekunden unter Stress verhalten würde. Er scheiterte.“ (S. 425) Was schlussfolgern wir daraus? – HPR

Hanspeter Reiter