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Game Change

Autor Pia Struck
Verlag GABAL Verlag
Seiten 192
ISBN 978-3-86936-725-5
Preis 29,90

20.000 bis 100.000 Entscheidungen treffen wir nach Ermittlungen der Gehirnforscher jeden Tag bewusst oder unbewusst. Viele sind Kleinigkeiten, wie z.B. welches Duschgel benutze ich heute? Im Business Alltag sind das Entscheidungen wie: Ergreife ich jetzt das Wort in einem Meeting? Stimme ich meinem Kollegen in seiner Meinung zu, obwohl ich ihn nicht leiden kann? Wie überzeuge ich meinen Kunden unser Produkt zu kaufen? Ist jetzt ein guter Zeitpunkt um einen delikaten Punkt anzusprechen? Welches der 3 Angebote ist für unsere Firma das richtige? Welchen Mitarbeiter mache ich zum neuen Abteilungsleiter? Wie reagiere ich auf eine unerwartete Störung? Wir sind unterschiedlicher Meinung und was jetzt?

Die Autorin, Tochter einer Schwedin und eines Deutschen, führt ihre besondere, offene Weltsicht auf eine Prägung zurück unter dem Einfluss von zwei unterschiedlichen Einflüssen, und zwar, nach eigener Formulierung: Einer individualistischen Leistungs-Kultur einerseits und einer sozial orientierten Gemeinschafts-Kultur andererseits.
Nach einem BWL-Studium gründete sie mehrere Unternehmen, die Auszeichnungen erhalten haben. Nach deren Verkauf war sie 5 Jahre in der Strategie eines multinationalen Konzern tätig; seitdem wirkt sie als selbstständige Beraterin für OE; ihr Engagement zielt auf einen Anstoß und gilt der Begleitung von Veränderungsprozessen sowie der Förderung von Kreativität.
Ihre erwähnte Prägung führte offenbar auch zu besonderer Wertschätzung von Team-Arbeit bzw. der „Arbeit in Gemeinschaften“. Dies könnte auch ihre Betonung des Einflusses der Umwelt auf das Verhalten von Menschen erklären. Denn sie lässt den wissenschaftlich nachweisbaren und als maßgebend erkannten genetischen Einfluss auf das menschliche Verhalten unerwähnt; stattdessen beschreibt sie sechs eher „wirtschafts-evolutorische“, von der Autorin selbst definierte „Entwicklungs-Stufen“: Spezielle Gesellschaftliche Merkmale, Individuelle Weltsicht sowie Organisationsformen / Charakteristika.
Dieser Part (S. 84 ff.) ist spannend zu lesen und zeigt mit den jeweils verorteten Farben sogar Ähnlichkeiten mit den bekannten menschlichen Persönlichkeits-Strukturen (Temperamenten). Die Beschränkung auf Umwelt-Einflüsse bedeutet de facto zugleich auch einen Verzicht auf Hinweise zu den genetischen Ursachen des Verhaltens und damit auf bekannte und wichtige Erfahrungen im Hinblick auf eine optimale Team-Arbeit. Für eine solche ist es essenziell, dass im Team unterschiedliche und möglichst intensive Ausprägungen menschlichen Verhaltens, definiert beispielsweise gemäß den in der Wirtschaft genutzten Persönlichkeits-Strukturen (etwa analog den bekannten sog. Temperamenten, beispielsweise Wille, Gemüt, Ratio und Kreativität), vorhanden sind und sich gegenseitig mindestens respektieren, möglichst wertschätzen.
Denn als entscheidend für EffEff – effektives und effizientes – Teamwork hat sich vor allem die gegenseitige Akzeptanz der Unterschiedlichkeit herausgestellt, die durch die Abgrenzung von im Team nicht relevanten Nicht-Stärken (zumal hier vielfach Ergänzung) und den anders als üblich definierten Schwächen (meist nicht bewussten, aber ggf. sehr störenden Übertreibungen von Stärken) deutlich wird.
Der Einfluss der Strukturen / Umwelt kann im Einzelfall sehr erheblich sein, bleibt jedoch vielfach sekundär gegenüber der genetischen Prägung. (Ein meist leicht nachvollziehbares Beispiel hierfür ist das Gleichnis vom Sämann im Neuen Testament.). Die Jahrzehnte-währende Diskussion zwischen „Behavioristen“ und „Genetikern“ kann inzwischen ohnehin als abgeschlossen. gelten,
Abgesehen von diesem Verzicht ist das Buch sowohl eine Herausforderung als auch ein Geschenk an den fachlich interessierten und engagierten Leser. Die Publikation besteht – abgesehen vom Prolog und dem Schluss-Akkord – aus 5 Teilen: (1) Einfluss-Faktoren, (2) Herausforderung („Selbst denken“), (3) Ziele („Wohin die Reise geht“, (4) „Elemente des Neuen“ sowie (5) „Weg zum Ziel“ als Lösung.
Eine wertvolle Ergänzung können die nicht nur zum Kapitel-Ende eingeblendeten „Perspektiven-Wechsel-Interviews“ mit Prof. Dr. Julian Kawohl angesehen werden.
Die Autorin führt dem Leser Notwendigkeit und Chancen von Veränderungen in Inhalt und Sprache anschaulich und kompetent vor Augen. Sie beschreibt die Hintergründe und begründet die notwendigen Änderungen auch mit konkreten Beispielen, etwa den Fall Kodak, der aufgrund seiner Fehl-Leistung zu being kodaked wurde.
Wertvoll sind auch – zusätzlich zu den Hinweisen auf die notwendigen Veränderungen in bestehenden Strukturen – die Empfehlungen für Start-Ups, zumal hierfür auch konkrete persönliche Erfahrungen vorliegen.
Die Neu-Erscheinung „Game Change“ ist empfehlenswert, da sie (1) Situation und Ursachen sowie (2) Begründungen für Game Change bietet sowie auch (3) bewährte Wege der Veränderung aufzeigt und nicht zuletzt auch (4) zum Handeln motiviert.

Prof. Dr. Hardy Wagner