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Agiles Lernen

Autor Nele Graf, Denise Gramß, Frank Edelkraut
Verlag Haufe
ISBN 978-3-648-09529-4

Einführung
Das Buch von Haufe ordnet sich geschmeidig ein in den Fluss weiterer Bücher, die um das moderne, agile Führungs-„Modell“ von Haufe und insbesondere Haufe umantis kreisen.
Das Autorentrio gibt einen groben Überblick über gegenwärtig diskutierte Veränderungen, denen sich HR bzw. Personaler stellen müssen, sowohl in Bezug auf die Veränderung von Angebots- Nachfrageorientierung ihrer Klientel als auch zur eigenen Rolle und mit ihr verknüpften Aufgaben und Verantwortlichkeiten.

VUCA
Bezugspunkt ist die sogenannte VUCA-Welt mit ihren vermeintlich neuen Anforderungen, verbunden mit der Idee des „Agilen Lernens“, die abgeleitet wird vom Konzept des Agilen Projektmanagements und dessen Manifest. Der Bezug wird zwar nicht systematisch hergestellt und wirkt zuweilen etwas bemüht, entfaltet indes produktive Wirkung, wenn man APM und VUCA verknüpft mit dem Status Quo mobiler Devices und Optionen des Lernens.

Agiles Lernen ist ein durch mobile Geräte bewegliches Lernen und äußert sich konzeptionell in Lernformaten wie Microlearning, in multimedialer zeit-, ortsunabhängiger und bedarfsbezogener Nutzung von Lerninhalten, die sowohl allein als auch in Gruppen genutzt werden können (das Schaubild hierzu gibt einen Überblick).

Neuer Wein …?!
Mit der Bezeichnung „neu“ verhält es sich in Bezug auf den Fokus HR ähnlich wie mit dem auf Führung von und in Unternehmen: Die Grundthemen, die heute als neu propagiert („gehypt“) werden, sind teils bereits seit den 1950er Jahren (Inkrementalismus, Agilität, Systemtheorien) bzw. 1970ern bekannt und kehren in unregelmäßigen Wellen wieder, etwa Demokratisierung von Führung, individualisierte Führung und bedarfsorientierte, maßgeschneiderte Personalentwicklung.

Die vermeintlich neue Rolle von HR als Businesspartner und damit in strategischer Verantwortung kennt man spätestens seit den 1980er Jahren, und dass Angebote von HR die Adressaten ansprechen, für sie attraktiv und nutzenorientiert sein sollen, ist ebenso vertraut wie die Forderung, die Adressaten von HR sollten ihren Bedarf anmelden, damit HR maßgeschneidert reagieren könne.

Die Autoren sprechen von einem Paradigmenwandel in Bezug auf die Marktsituation von HR: von der Angebots- zur Nachfrageorientierung. Das ist durchaus diskussionswürdig; denn ein Paradigmenwechsel ist immerhin ein Wechsel des Grundmusters. Zumindest kann von einer Schwerpunktverlagerung gesprochen werden. Diese liegt zwar inzwischen einige Jahrzehnte zurück, erlebt indes dadurch neue Popularität, als der Kontext explizit mit Begriffen der Individualisierung/ Subjektivierung und der technisch basierten situativen Abrufbarkeit verbunden wird: „on demand“ (versus Lernen auf Vorrat: „learning for supply“), microlearning und learning to go. Darauf, so das Autorentrio, müsse sich HR einstellen. (Analog zur Losgröße 1 in dem Konzept von „Industrie 4.0.)

Die Autoren schütten allerdings bei mehreren Themen den Badenden mit dem Badewasser aus, vermutlich, um die eigene Position zu kontrastieren, die dadurch zuweilen an Glaubwürdigkeit verliert. Nichtsdestotrotz sollte der Leser mitdenkend weiterlesen.

Polarisierung?
Das gilt insbesondere für Polaritätenkonstruktionen nach dem Motto: gestern – heute – morgen, für die als neu bezeichneten, allerdings seit gut vier Jahrzehnten von Beraterseite geforderten Metakompetenzen von Führenden und Mitarbeitenden und betrifft selbstredend auch Inhalte. Beispielsweise sie These, Seminare hätten ausgedient, weil siemit der Gießkanne arbeiteten. Solche gibt es – andere, meist Workshops genannt, allerdings auch. Die Praxis zeigt, dass auch gegenwärtig die Nachfrage nach diesen offline und kollektiven Präsenzformaten hoch ist. (Und gesellschaftliche Moden legen nahe, dass dies eher zu- als abnehmen wird, etwa „Hygge“ (früher Cocooning), Retrotrends.) Zwei Gründe werden typischer Weise hervorgehoben: die Möglichkeit, einen Gesamtkontext kennen zu lernen und durch das Lernen auf Vorrat die Chance zu haben, frühestzeitig Probleme, Innovationspotenzial etc. zu erkennen, sowie die Möglichkeit, sich mit anderen persönlich auszutauschen und auch körperlich Lerninhalte zu durch-, erleben.

Neue Herausforderungen
Als Entwicklung neueren Datums mag durchgehen, dass HR stärker als bisher den Blick auf Multimedialität und kombinierten Angeboten, auf Individualisierung und Demokratisierung von Lernformat, -didaktik/methodik und –inhalt richten sowie den Bedarf, die Nachfrage aktiv ermitteln muss. Dies ist ein quantitativer, kein qualitativer Unterschied zu „früher“; das gleiche betrifft Rolle und Verantwortung von HR im Unternehmen. Vertraut klingen in diesem Kontext neben den Ausführungen zu Modi von informellem/non-formalem, formellem Lernen und die Listen von Anforderungen an „Lerner“, Führungskräfte und Mitarbeiter sowie auch Personaler. Als neuartig mag die Brisanz einzustufen sein, mit der die wesentlichen Anforderungen (so man sie akzeptiert) zu erfüllen bzw. zu überprüfen sind. Die Überprüfung muss einbeziehen: Mythen und Realitäten, Motive und Motivationen, Bereitschaften und Fertigkeiten, Ambitionen und deren Grenzen der so genannten Generationen Y und Z, die sich – nach Scholz und anderen empirischen Untersuchungen – offenbar sehr voneinander unterscheiden und damit auch Differenzierung von HR erfordern.

Umfeld
Neben schildernden Ausführungen profitiert der Leser von Übersichten und Listen, etwa die Aufzählung agiler Lernformate und Schaubilder, beispielsweise zur „Klassischen PE versus Performance Beratung“ oder zu den „Vier Rollen der PE“.

Der bemerkenswert ausführliche Anhang vereinigt sowohl Hintergrundanmerkungen zum Akronym VUCA als auch zur semantischen Einbettung der Idee des Agilen Lernens und seiner Prinzipien; ferner wird ein Train-the-Trainer-Programm vorgestellt (Beratung Dr. Frank Edelkraut, Hamburg, einer der Autoren) und auf Studie und Forschungsprojekt LEKAF verwiesen.

Dr. Regina Mahlmann, www.dr-mahlmann.de

Regina Mahlmann