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Die Anfänge von Allem

Autor Jürgen Kaube
Verlag Rowohlt
ISBN 978-3-871-34800-6

Jürgen Kaube, Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und bekannt als Wissenschaftsautor, widmet sich in diesem äußerst lesenswerten Buch Anfängen: erzählten, akzeptierten, möglichen.
„Weil am Anfang die Erkenntnis noch klar und umfassend war, so der schöpfungsstheologische Gedanke, war der Anfang überhaupt fähig, für alles Weitere prägend zu sein.“ (S. 14) Dieser Gedanke ist wirkungsmächtig; denn die Idee, dass es immer einen Anfang gibt und die Idee, dass der Anfang alles Folgende prägt, findet sich in wissenschaftlichen Theorien aller Prägung ebenso wieder wie in alltäglichen Erzählung: „Weil A, deshalb B“ gilt uns als Selbstverständlichkeit.

Neben den konkreten Anfängen, die der Autor den verschiedenen Aspekten der Menschwerdung, dem Menschsein und menschlichen Produktionen Ausdruck verleiht und dabei sowohl bekannte als auch weniger bekannte Forschungs- und Erzählstränge resümiert, sind kategorial differenzierbare Anfänge interessant.

Denn nicht nur die einzelnen Erkenntnisse und Vermutungen, die detailreich geschildert werden, sind ein Lektüregewinn (auch dann, wenn man sie keineswegs im Gedächtnis behält, siehe dazu S. 338, 347f), sondern auch die Ideologie, das Denken im Konzept von Anfängen ist es wert, exponiert zu werden.

Der Leser kann hier verschiedene Anfänge entdecken: als Frage der Kausalitätssetzung mit Blick auf Entwicklung: A prägt alles Folgende; als Frage nach differenten und diversen Perspektiven im Sinn der möglichen und faktischen Entdeckungen multipler Anfänge des Gleichen; als Frage nach der Differenzierung des Schauens und Denkens; als Frage nach Zufällen und Interessen des selektiven Blicks in Entdeckungen und Forschung (während erstere vor allem abhängig sind von dem, was gefunden wird, etwa in der Archäologie, folgt letztere Erkenntnisinteressen, die beispielsweise der Frage folgen, was wertvoll zu wissen ist), und schließlich gelten Anfänge als nicht erkennbare Übergänge zu etwas Anderem, Neuem, Unbekannten.

Nach der inspirierenden Lektüre schlägt der Leser das Buch und hat doch das Gefühl, es gleich wieder aufschlagen zu müssen. Zu viele einzelne Erkenntnisse hat er vergessen, zu viele sind des Erinnerns wert. Beruhigt liest er, was Jürgen Kaube auch dazu schreibt. Etwa dies: „Was über Anfänge zu lernen ist, muss darum unterschieden werden von dem, was an ihnen zu lernen ist und an der Forschung, die ihnen gilt. Über sie zu lernen ist der jeweilige Stand der Erkenntnis, bei dessen Formulierung Wort wie „womöglich2, „hingegen“ und „etwa“ unentbehrlich sind.“ Wir müssen uns abfinden damit, dass es immer wieder neue Entdeckungen und Erkenntnisse geben wird, die Bisheriges neu beleuchten oder zu Korrektur nötigen. „An ihnen zu lernen ist das Gefühl für zivilisatorischen Zeitbedarf ….An ihnen zu lernen ist, dass alles Neue aus etwas hervorgeht, dem man nicht ansieht, dass es ein Übergang sein wird…Schließlich ist an den Anfängen u lernen, dass immer Mehreres nötig war, um sie hervorzubringen.“

Dieses Buch in Griffnähe zu behalten, ist zu empfehlen.

Dr. Regina Mahlmann, www.dr-mahlmann.de

Regina Mahlmann