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Tyll

Autor Daniel Kehlmann
Verlag Rowohlt
ISBN 978-3-498-03567-9

„“Tyll“, der neue Roman des Erfolgsautors Daniel Kehlmann – er veröffentlichte u.a. „Die Vermessung der Welt“, „Ruhm“, „F“ und „Du hättest gehen sollen“ –, ist die Neuerfindung einer legendären Figur: ein großer Roman über die Macht der Kunst und die Verwüstungen des Krieges, über eine aus den Fugen geratene Welt.“ Dieser Charakter bildet quasi den Aufhänger für tiefe Einblicke in die Zeit des 30jährigen Kriegs plus davor und knapp danach.

Alles Eulenspiegel?
Das alles jedenfalls legt Daniel Kehlmann dieser Figur nahe: „Tyll Ulenspiegel – Vagant, Schausteller und Provokateur – wird zu Beginn des 17. Jahrhunderts als Müllerssohn in einem kleinen Dorf geboren. Sein Vater, ein Magier und Welterforscher, gerät schon bald mit der Kirche in Konflikt. Tyll muss fliehen, die Bäckerstochter Nele begleitet ihn. Auf seinen Wegen durch das von den Religionskriegen verheerte Land begegnen sie vielen kleinen Leuten und einigen der sogenannten Großen“, teils in wiederkehrenden Treffen, viele Nebenfiguren hinter sich lassend…

Viel Personal
… bietet der Autor auf, wenn er immer neue Begegnungen schafft, Gesellschaft und Politik damaliger Zeit zu illustrieren. So begegnet Tyll „dem jungen Gelehrten und Schriftsteller Martin von Wolkenstein, der für sein Leben gern den Krieg kennenlernen möchte, dem melancholischen Henker Tilman und Pirmin, dem Jongleur, dem sprechenden Esel Origenes, dem exilierten Königspaar Elisabeth und Friedrich von Böhmen, deren Ungeschick den Krieg einst ausgelöst hat, dem Arzt Paul Fleming, der den absonderlichen Plan verfolgt, Gedichte auf Deutsch zu schreiben, und nicht zuletzt dem fanatischen Jesuiten Tesimond und dem Weltweisen Athanasius Kircher, dessen größtes Geheimnis darin besteht, dass er seine aufsehenerregenden Versuchsergebnisse erschwindelt und erfunden hat.“ Alles historisch belegte Persönlichkeiten, wie vielleicht auch Tyll, der auch eine Sage repräsentieren mag. „Ihre Schicksale verbinden sich zu einem Zeitgewebe, zum Epos vom Dreißigjährigen Krieg. Und um wen sollte es sich entfalten, wenn nicht um Tyll, jenen rätselhaften Gaukler, der eines Tages beschlossen hat, niemals zu sterben.“ Und dies vermeidet, jedenfalls bis zum Schluss dieser Geschichte, in der er immer noch lebt. Gegen jegliche Erwartung, nach einem Schacht-Einsturz im Kapitel vorher, erlitten als Mineur: Tyll erneut verwandelt …

30jähriger Krieg
Durch halb „Deutschland“ zieht der Leser mit dem Comedian, wie er heute wahrscheinlich genannt würde: Mit Auftritten in diversen Städten und vor unterschiedlichen Höfen, schließlich Hofnarr eines Königs, der rasch seine Würde wieder verliert. Eine weitere der diversen Figuren, die Leser begleiten darf, Schicksale miterlebend. Politik wie Religion waren beteiligt an diesem frühen Flächenbrand, der in heutiger Zeit rasch zum „Weltkrieg“ ausgeufert wäre. Doch damals waren die Wege noch zu weit, die Nachrichtenkanäle zu langsam. Und der leidenden Bevölkerung war´s so schon mehr als genug, zerrieben zwischen immer wieder den gleichen Kräften: Waren die Kaiserlichen weg, kamen Marodeure – dann die Gegenpartei, Schweden schließlich, und umgekehrt. Eine never ending story. Man mag sich heute wundern, dass schließlich der Friede dennoch gelang – ausgehandelt in Osnabrück. Und so nahe dem Ausgangspunkt der Tyll-Geschichte: Münster … Fein recherchiert, neu zelebriert ist die Story: Lesen! HPR

Hanspeter Reiter