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Gier nach neuen Bildern

Autor Leonore Koschnick/Benjamin Mortzfeld (Hg.)
Verlag Theiss
ISBN 978-3-806-23638-5

„„Flugblatt, Bilderbogen, Comicstrip“ ist der Untertitel der Ausstellung und des zugehörigen Katalogs, höchst sehenswert!

Ausstellung und Katalog
Die Ausstellung findet statt vom 29. September 2017 bis 08. April 2018 – bis dahin lässt sich das doch bestens mit einem Berlin-Besuch verbinden, oder?! In einer schon recht langen Reihe von Ausstellungen rund um Comics reiht sich diese hier mit einem anderen Blickwinkel ein – plus: sie beginnt deutlich früher. Und zeigt wunderbar, wie weit die Tradition der Bild-Kommunikation zurück reicht. Wenig verwunderlich, lernten weite Kreise der Bevölkerung erst nach und zu lesen. Visuelles zu verstehen jedoch war weitest gehend allen möglich. Wie dann nach und nach die Kombination aus Bild und Text entstand, auch davon berichten Ausstellung und Katalog – aus der Perspektive „Bilder journalistisch“, also Nachrichten verbreitend und über Geschehnisse berichtend: „Bilder sind heute im Nachrichtengeschäft unverzichtbar. Seit rund 130 Jahren wird der Bildjournalismus von Fotos bestimmt. Doch wie arbeitete die Bildpresse vor der Erfindung der Fotografie? … Bei der Herstellung der Flugblätter und Bilderbogen kamen unterschiedliche graphische Techniken zum Einsatz. Die frühen „Briefmaler“ bevorzugten den Holzschnitt. Der gleichzeitig aufkommende Kupferstich war wesentlich aufwendiger und teurer. Die höchsten Auflagen ermöglichten ab 1800 die Lithographie und der Holzstich. Als im 16. Jahrhundert der Begriff „newe Zeittung“ aufkam, verstand man darunter zunächst nur eine Neuigkeit, die auch mündlich überbracht werden konnte. Erst gedruckte Flugblätter ab Mitte des Jahrhunderts entsprachen unserem heutigen Verständnis von Printmedien – wobei Veröffentlichungen mit Bildern stets den größten Zuspruch fanden.“ Mensch als Augentier, für Weiterbildner jeglicher Couleur ein klarer Fall: alles visuell oder was?!

Die Entwicklung geht weiter: Visuelles und Medien
Und was ist daraus geworden? „Die Ausstellung zur Frühgeschichte des Bildjournalismus präsentiert drei Geschäftsmodelle der Flugblatt- und Bilderbogenproduktion, die sich vom 16. bis ins 20. Jahrhundert kaum verändert haben. Das Angebot an Sensationspresse – etwa mit Bildern von Naturkatastrophen oder Neuigkeiten aus den Adelshäusern – galt dem breiten Publikum. Die scharfe Bildsatire hingegen, zum Beispiel im Kampf um den „rechten“ Glauben oder gegen Zensur und Unterdrückung, wandte sich an eine Käuferschicht mit speziellen politischen Interessen.“ Schließlich dann die echte Episode in Wort und Bild, das sequenzielle Darstellen von Geschehnissen: „Und für die lehrreiche und humorvolle Unterhaltung begeisterte sich schließlich eine Kundschaft, die auch gern für ihren Nachwuchs die entsprechenden Bilderbogen erwarb und den Comicstrip als Beilage zur Sonntagszeitung für sich entdeckte. Aus heutiger Sicht ergeben sich erstaunliche Parallelen zur gegenwärtigen Boulevardpresse, zum momentanen medialen Bilderkampf der Ideologien sowie zum anspruchsvoll-unterhaltsamen Feuilleton. Die Ausstellung zeigt eine Auswahl von 180 originalen graphischen Nachrichtenblättern aus dem großen Sammlungsbestand des Deutschen Historischen Museums, die durch komplette Bilderfolgen in Medienstationen ergänzt werden.“ Unbedingt anschauen! Und auch an den „iconic turn“ denken, wie ihn ein Hubert Burda seit Jahrzehnten promotet … HPR

Hanspeter Reiter