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Zeit der Zauberer. Das große Jahrzehnt der Philosophie 1919-1929

Autor Wolfram Eilenberger
Verlag Klett-Cotta
ISBN 978-3-608-94763-2

Der ehemalige Chefredakteur des „Philosophie Magazins“, „Zeit“-Kolumnist, Moderator der „Sternstunden der Philosophie“ im Schweizer Fernsehen und Mitglied der Programmleitung der „phil.cologne“ sowie, seit November 2017, Programmleiter des Berliner „Nicolai-Verlags“ widmet sich in seinem populär-philosophisch angelegten Buch jenen vier Philosophen, die er als Lichtgestalten besondere Bedeutung für sowohl die Philosophiegeschichte als auch für die Gegenwart zuspricht. Der Zeitraum ist eng bemessen: 10 Jahre.
Seine Bewunderung gilt Ludwig Josef Johann Wittgenstein (1889 –1951), Walter Benjamin (1892–1940), Martin Heidegger (1898 – 1976) und Ernst Alfred Cassirer (1874 -1945). Ihnen spricht er zu, Philosophieren als Lebensform zu realisieren. Das ist das Motiv des Autors für die (durchaus ergänzbare) Auswahl der „Zauberer“ (eine unphilosophische Kategorie, gegen die die Personen gewiss protestiert hätten, da sie nicht auf Magie, Wunder und dergleichen setzten, sondern auf gedankliche Arbeit, die sich in präziser Sprache, der Kongruenz von Meinen und Sagen zeigen sollte).
Ihnen attestiert er, zwar aus unterschiedlichen Denkrichtungen kommend, als Gemeinsamkeit zweierlei zu demonstrieren: die Verflechtung von Leben und Werk sowie die existentielle, die Lebensform bestimmende Bedeutung von Sprache für Selbstfindung (v.a. Heidegger), für das Verstehen von Weltgeschehen und für die Art und Weise, sich in der Welt zu bewegen (Benjamin, Cassirer), mit und ohne metaphysische Bezüge.
Für Eilenberger repräsentieren diese Philosophen zudem den Aufbruch zu je neuem Denken, das grundlegend wirkt auf den weiteren Verlauf des Philosophierens, besonders deutlich bei Heidegger (in Abgrenzung zum Neukantianismus, Existenzphilosophie), Cassirer (Immanuel Kants Verstandes-Kategorien erweiternd, Kulturphilosophie mit Akzent auf symbolische Formen aller Art, die ihrerseits Lebensweise und Weltsicht begründen, Hermeneutik) sowie Wittgenstein (Sprachphilosophie bzw. Logik, Analytische Philosophie; Eilenberger rekurriert fast ausschließlich auf das Frühwerk).
Der Stil der Darbietung wechselt. Die sachlich-thematischen Ausführungen in eher nüchterner Sprache und dem Bemühungen, dem Leser spezifische Gedankengänge nahezubringen, können mit mit Gewinn gelesen werden und dazu motivieren, Original- oder fachliche Sekundärliteratur aufzusuchen oder schlicht, sich zum „Nach-Denken“ zurückzuziehen. Interessant sind durchaus auch Schilderungen der personalen, historischen und besonderen Lebensumstände der Protagonisten, da hier nur noch exogene Faktoren, sondern auch befördernde und behinderte Personen auftreten.
Andere Passagen huldigen eher der Unterhaltung, sowohl durch Wortwahl, Satzbau und Tonalität (etwa eine gedankliche Auseinandersetzung als Boxkampf, als sportliche Rivalität mit Punktgewinnen und –verlusten) als auch dadurch, dass Wolfram Eilenberger Geschichten erzählt, die er sich ausgedacht hat – Vermutungen über Dialoge und innere Monologe (z.B. anlässlich der Davoser Tagung), fiktive Ausschmückungen faktisch stattgefundener Ereignisse. Einfach mit dem Lesen beginnen, scheint das Motto des Autors zu sein, der den Leser ohne Vorwort oder Einführung sogleich in die Szenerie eintreten lässt.

Regina Mahlmann