Augustine
Autor | Isabella-Maria Kern |
Verlag | Iatros |
ISBN | 978-3-869-63410-4 |
„In den Schuhen der anderen“ ist vordergründig schlicht ein erotischer Roman, softcore – siehe den Schuh-Fetischismus der Hauptperson, der auch an die frühere philippinische Präsidenten-Gattin mit ihrem Schuh-Tick erinnert. Doch letztlich geht es um Tiefergründiges…
Das ist ihre Geschichte
In fortlaufenden Kapiteln entwickelt sich eine Art Psychothriller, dazu eingestreut Rückblicke, die das Verhalten der Protagonistin zusätzlich zu erklären versuchen: Eine „irreale Geschichte einer Frau, die mit Hilfe einer besonderen „Gabe“ in die Körper anderer Frauen schlüpft (transcorporiert), um leidenschaftlichen Sex zu haben und sich wenigstens für kurze Zeit der Illusion hinzugeben, geliebt zu werden. Als sie sich in Dominik verliebt, zwingt sie die Angst, nicht attraktiv genug zu sein, in den Körper der bezaubernden Melanie zu schlüpfen, deren „Liebe“ Dominik schließlich erwidert. Doch Melanies Körper steht nicht immer zur Verfügung, was Augustine immer kälter und rücksichtsloser werden lässt…“. Wenn es vorher ein Spiel war, ihre eingesperrte Sexualität auszuleben, entwickelt sich nun eine Sucht – mit allen Nebenwirkungen, die derlei so mit sich bringt. Die betroffene Frau wird denn auch mehrfach gefragt, ob sie Drogen genommen habe. Kann sie sich doch null an die Geschehnisse erinnern, die ihr angetan wurden: Eine Vergewaltigung durch eine andere Frage im Grunde …
Interpretation der Autorin
Also ist das der Versuch, Verhalten anhand einer fiktiven Persönlichkeit zu interpretieren: „Es ist die Geschichte einer Frau, die ihren persönlichen Wert emotional nicht erfassen kann. Das Gefühl, sich nur in fremden Körpern als vollkommen zu sehen, lässt Augustine immer tiefer in ihre verworrene Gefühlswelt sinken. In der Psychologie versteht man unter dem „Selbstwertgefühl“ die Bewertung, die man von sich selbst hat. Viele Menschen haben ein verzerrtes Bild von der eigenen Persönlichkeit und erlauben sich nicht, sich selbst fantastisch und attraktiv zu finden. Sie haben Angst nicht zu genügen und verstecken sich hinter falschen Masken. So auch Augustine, die nicht glaubt, ihrer selbst willen geliebt werden zu können.
Und sie versinkt im Strudel der Bösartigkeit.“ Wer leidet da jetzt unter Schizophrenie, um diesen gar zu häufig bemühten Begriff zu verwenden – weniger die genannte Melanie …
Fantasy for more?
A bissal erinnerte mich die Geschichte an jene von Terry Pratchett: In seiner Scheibenwelt gibt es u.a. Oma Wetterwachs, die sich in Kleintiere und Vögel versetzen kann, das so genannte „Borgen“. Tja, auch Augustine „borgt“ sich den Körper anderer (Frauen), die immerhin den Vorteil haben, nichts davon mitzukriegen … Passt zudem zu unserer Zeit mit Photoshop und Fake-Profilen: in andere Identität(en) schlüpfen als Volkssport … Auch das (Selfies inklusive) mit diversen Risiken und Nebenwirkungen! – Das Zweitwerk der Autorin, nach „Li: Tote Mädchen machen keinen Sex“ als Vorläufer. Dort geht es um das üble Geschäft der Zwangs-Prostitution, ebenfalls anhand einer eher fantastischen Story nahe gehend berichtet. HPR