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Disrupt Yourself

Autor Christoph Keese
Verlag Penguin
ISBN 978-3-328-60033-6

Wohin geht´s, in Digitalien?
Gestützt auf eine Studie von C.B. Frey, einem in Oxford lehrenden Wirtschaftshistoriker, aus dem Jahr 2013 bahnt der Journalist, Christoph Keese, den Leser mental in die von ihm gewünschte Richtung: Eingedenk der Menge an „aussterbenden Berufen“, die auch jene einschließen, von denen es nicht gedacht wurde, zum Beispiel Manager, sollte sich jeder Gedanken über seine Berufs-, bzw. Tätigkeitswahl machen. Alles, was in Algorithmen übersetzt werden kann, so das Motto, wird übersetzt – und davon ausgenommen sind nur jene Tätigkeiten, die sich mit psychischen und intersubjektiven Anliegen befassen. Allerdings ist dies zu bezweifeln angesichts der enormen Fortschritte in KI und EI und der wachsenden Akzeptanz von und Präferenz für als empathisch empfundene Roboter und Assistenzsysteme.

Sich selbst neu erfinden
Die Bahnung erleichtert es, den Leser für das Anliegen zu gewinnen: sich selbst zu „disruptieren“, „sich neu zu erfinden“ und „selbst zum Erneuerer“ zu werden. Seine Zielgruppe sind „Leute, die den Takt ihres Wandels selbst vorgeben möchten.“ (20) In flotten, vor Vereinfachungen nicht zurückscheuenden Ausführungen und mit Unterstützung von „Narrativen“ ermuntert der Autor die Angesprochenen, schnellstens loszulegen.
In groben Zügen erfolgt eine Einbettung der Notwendigkeit von Selbstdisruption in den Rahmen der Digitalisierung sowie, da es ja um Denken, Fühlen, Verhalten geht, in psychologische Erkenntnisse. Nichts neu, aber komprimiert und in groben Zügen, eingängig geschildert, sozusagen auf das Wesentliche konzentriert. Das gilt für die ersten beiden Kapitel, die auf Gründe für Untätigkeit eingehen, Veränderung und Grundbedürfnisse in Beziehung setzen und zwei Typen vorstellen: jenen, der sich der Erneuerung nicht stellt und jenen, der sich ihr stellt, sie geradezu sucht. Das ist der, der Selbstdisruption als „Abenteuer“ (Untertitel) erlebt. Die diesen allgemeinen Ausführungen folgenden Kapitel adressieren spezielle Untergruppen der Zielgruppe: Personen, insbesondere Angestellte, Führungskräfte, die disruptiv mit ihren Mitarbeitern wirken wollen, und Unternehmen sowie, zum Schluss, ein „Weckruf“ an politische Akteure und Institutionen.

Disruption?
Einmal abgesehen „hippen“ Wortwahl und dem Transfer eines wirtschaftlichen Begriffs auf das Individuum, das sich im strikten Sinn keinesfalls disruptieren und ebenso wenig neu erfinden kann: Der Appell zur Selbstdisruption meint schlicht Selbstreflexion: Reflektiere deine Lebenssituation, einschließlich deiner bisherigen Präferenzen und Perspektiven, und wenn nötig, verändere etwas. Dabei – und das mag einige ermuntern, dem Appell zu folgen – gibt der Autor Hilfestellung in Form von Episoden aus dem eigenen Leben sowie in Form von Beispielen (Geschichten) von Interviewpartnern, sowie anhand von Fragen, die man sich stellen und beantworten sollte. Führungskräfte werden angehalten, sowohl „Chancen für den Wandel zu erkennen“ als auch – unter der Devise: „Da geht mehr“ – sich selbst und Mitarbeiter (empathisch) anzutreiben, bestmöglich im Interesse des Kunden zu agieren und Angebote entsprechend aufzubereiten. Einige Handreichungen des Autors sollen dabei unterstützen, etwa Indizien für disruptive Chancen, Betrachtung und Einspeisen von Kundenwünschen, Datenauswertung und weiterführende Fragen, Konzipieren eines „neuen“ Wertschöpfungssystems. Entsprechend sind Unternehmen aufgerufen, unter der Fahne der Disruption selbst innovative Einheiten aufzubauen, mit Innovatoren zu kooperieren und/oder in sie zu investieren und Führung dementsprechend, vor allem „empathisch“, zu realisieren.

Do it yourself!
Der „Weckruf“ enthält Aufforderungen zu Maßnahmen, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, disruptiven unternehmerischen Erfolg wahrscheinlicher zu machen. Jeder Abschnitt enthält eine knappe Zusammenfassung, die in pointierter Form aufzählt, was der Autor mit seinen Lesern für wesentlich hält. Das Buch liest sich leicht und wird insbesondere jene Leser ansprechen, die unmittelbar aktiv werden möchten. Insofern sind die Handreichungen des Autors nicht nur Nudges, sondern auch konkret hilfreich.

Hanspeter Reiter