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Durch Nacht und Wind

Autor Stefan Lehnberg
Verlag Tropen
ISBN 978-3-608-50376-0

„Das scurrilste Ermittlerduo vor Sherlock Holmes und Dr. Watson!“, nämlich ein Jahrhundert früher aktiv, feine Idee!

Krimi Ende den 18. Jahrhunderts?
Jawohl, kurz vor der Jahrhundertwende spielend. Und ein Comedian als Autor „ernster“ Krimi-Lektüre? Ja, schon das erste dieser „criminalistischen Werke des Johann Wolfgang von Goethe – Aufgezeichnet von seinem Freunde Friedrich Schiller“, der durchaus mit agiert, ist bestens gelungen. Inklusive diverser Augen zwinkernder Momente … Doch lassen Sie uns zunächst einen Blick auf die Geschichte an sich werfen, gut recherchiert und zeitgenössisch passend: „„Der Großherzog von N. ist zutiefst beunruhigt. Er hat einen Brief erhalten, in dem behauptet wird, dass ein Smaragdring, der sich in seinem Besitz befindet, mit einem alten Fluch beladen sey. Dieser soll unfehlbar den Tod seines Besitzers herbeiführen. Goethe und Schiller werden zur Hülfe gerufen…“ Vielerlei Bezüge finden sich zu den beiden „Akteuren“, nämlich zu ihren Werken, auch mal ein wenig kritisch daher kommend. Das beginnt bereits beim Titel, angelehnt an Goethes Erlkönig. Und dass dieser sich um die Weimarer Bibliothek kümmert, hat auch was mit der späteren Namensgeberin zu tun – auch sie kommt ins Spiel:

Weiter im Krimi…
Denn „Anna Amalia, die Mutter von Weimars Regenten Carl August, bittet Goethe und Schiller, den Großherzog, der mit seiner Familie im Lustschloss Belvedere bey Weimar untergebracht ist, aufzusuchen. Sie sollen ihn davon überzeugen, dass die Geschichte mit dem Fluch Unfug sey und er sich keine Sorgen machen müsse. Da der Großherzog sich als höchst unsympathisch erweist, beschließen Goethe und Schiller, ihn in seiner Angst noch zu bestärken. Doch in selbiger Nacht verstirbt der Großherzog. Die Umstände sind der Art, dass weder eine natürliche Todesursache, noch Mord oder Selbstmord in Frage kommen. Eine unmögliche Situation. Goethe und Schiller werden gebeten, die Angelegenheit discret zu untersuchen.“ Und wie sie ran gehen – den Täter identifizieren und bei der Jagd nach ihm in Lebensgefahr geraten. Inklusive einer abenteuerlichen Ballonfahrt: Die Brüder Montgolfier haben erfreuliche Vorarbeit geleistet (S. 140ff.)! Schön, wie der Autor damaliges Geschehen einbezieht. Im Grunde im Widerspruch zu jenem Spruch von Schiller, den er selbst zitiert (S. 14f.) „Der Starke ist am mächtigsten allein“ – „vielleicht kann ich ihn einmal in einem Theaterstück verwenden“ (tat er: in Wilhelm Tell nämlich ;-) …).

Texten halt!
Könnte Leser meinen, sind schließlich zwei klassische Autoren – und Briefe („Billets“) spielen zudem eine gewichtige Rolle. Die Schiller (S. 90) übrigens so sieht: „Ich hätte lieber drei Theaterstücke ersonnen als diesen Brief, welcher eine geschickte Mischung aus Wahrheit und Beschönigung seyn musste…“. Ha, vielleicht hat er sich erinnert, dies zu tun, nach Abschluss des Abenteuers: „…ging mir nun mit der größten Leichtigkeit von der Hand…. Der Ring des Polykrates, Der Taucher, Die Kraniche des Ibykus“ usw. (S. 235f.). Auch einen Seitenhieb auf mangelnden Standard im Deutsch damaliger Zeit gönnt sich der Autor, etwa S. 172: „Uns hingegen bereitete es nicht minder Mühe, wiederum ihn zu verstehen, denn er sprach auf das Fürchterlichste in seiner fränkischen Mundart.“ – zu Nürnberg nämlich. Also ist das ernste Stück, das Lehnberg hier abgeliefert hat, doch ganz zu seinen Oeuvre passend  … Siehe auch meine Rezension zur Fortsetzung „Die Affäre Carambol“. HPR

Hanspeter Reiter