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Der Outsider

Autor Stephen King
Verlag Heyne
ISBN 978-3-453-27184-5

„Das Böse hat viele Gesichter… Vielleicht sogar deines?!“. Oha, identifizieren wird Leser sich kaum wollen, mit dem Monstrum, als dessen Taten sich letztlich das Ganze erweist – erwartungsgemäß für alle, die Stephen Kings Werke auch nur ein wenig kennen ….

Natürlich eine Horror-Story
Wie immer exzellent recherchiert (siehe seine Nachbemerkung S. 751), greift King hier scheinbar das eingängige Thema des Serienmörders auf – und verbindet seine Geschichte mit früheren, in Figur der leicht autistischen Ermittlerin Holly, die etwa bei Mr. Mercedes eine entscheidende Rolle spielte. Womit zusätzlich glaubhaft(er) wird, was Leser in stetig wiederkehrenden Spannungsbögen unterhaltsam geboten ist: „Im Stadtpark von Flint City wird die geschändete Leiche eines elfjährigen Jungen gefunden. Augenzeugenberichte und Tatortspuren deuten unmissverständlich auf einen unbescholtenen Bürger: Terry Maitland, ein allseits beliebter Englischlehrer, zudem Coach der Jugendbaseballmannschaft, verheiratet, zwei kleine Töchter. Detective Ralph Anderson, dessen Sohn von Maitland trainiert wurde, ordnet eine sofortige Festnahme an, die in aller Öffentlichkeit stattfindet. Der Verdächtige kann zwar ein Alibi vorweisen, aber Anderson und der Staatsanwalt verfügen nach der Obduktion über eindeutige DNA-Beweise für das Verbrechen – ein wasserdichter Fall also?“ Ein wahrhaft unbeschreibliches Verbrechen, das der Autor gewohnt grenznah auch beschreibt, auch hier diese achtend. Mit einer überwältigendes Fülle an Beweisen, mit einem „eindeutig“ überführten Unschuldigen: Zwei komplett gegensätzliche Storys, beide scheinbar wahr… „Bei den andauernden Ermittlungen kommen weitere schreckliche Einzelheiten zutage, aber auch immer mehr Ungereimtheiten. Hat der nette Maitland wirklich zwei Gesichter und ist zu solch unmenschlichen Schandtaten fähig? Wie erklärt es sich, dass er an zwei Orten zugleich war? Mit der wahren, schrecklichen Antwort rechnet schließlich niemand.“ Mit dem Outsider nämlich, so nennen ihn schließlich die Ermittler …

Multi-Genre vom Kult-Autor
Tja, auch dieses Mal gilt erwartungsgemäß: Ein Thriller ist das, Horror im Kern, Fantasy in der Aura. Mit kleinen Schwächen für mich als „Oberlehrer“, offenbar weder von den Lektoren noch vom Übersetzer entdeckt, siehe: Das ist einmal der entdeckte Gegen-Beweis für Terry, der ihm selbst eingefallen war, im Gespräch mit Anwalt und Privatdetektiv, doch die Polizei war schneller. Als es darum geht, ihn zu rehabilitieren, bringt Ralph das ein – und die anderen Beteiligten sind empört, dass sie von diesem Beweis nichts gehört hätten, hmm (S. 329)?! Holly zum Zweiten wird in einer Situation als in Hosenanzug gekleidet beschrieben, sitzt jedoch mit hoch gezogenem Rock auf dem WC, als sie dort in aller Stille ein Gebet halten möchte (S. S.485), hmm … Ja, das sind kleinste Kleinigkeiten – doch gerade dem besonders aufmerksamen Leser fallen sie halt auf, dem Fan  … Sehr schön, wie King erneut auf Märchen, Sagen und Mythen zurück greift (regionale spielen hier eine besondere Rolle, gar in Filmen dokumentiert, siehe S. 517 etc.), klassische Autoren wie Edgar Allen Poe zitiert (etwa S. 568 zum Thema „Doppelgänger in der Literatur“) und die Grenzen zwischen seriöser Wissenschaft und „Übernatürlichem“ austestet, religiösen Themen inklusive. Der Leser wird abschließend in eine tröstlich-optimische Sichtweise mitgenommen: Soweit Böses in der Welt sei, dürfe Mensch wohl mit einer guten Kraft rechnen, die den Ausgleich herzustellen versuche, siehe u.a. in Indiz, das überraschend und unerklärlich aufgetreten war (S. 736) – oder vorher schon eine Klapperschlange, die den Plan des Monsters zerschlägt, alle aktiven Gegner aus dem Weg geräumt zu bekommen, mithilfe eines Komplizen… Die Gefahr, meine Anmerkungen könnten Spoiler zeigen, ist höchst gering: Das Muster ist bestens bekannt, doch die Zutaten zum immer wieder erfolgreichen Rezept machen das Neue der Story aus. Plus dem spannungsgeladenen Köcheln dieses Kücher-Meisters über volle 750 Seiten, das letztlich ein gelungenes Menü neuer Art entstehen lässt. HPR

Hanspeter Reiter