Novozän
Autor | James Lovelock |
Verlag | C.H.Beck |
ISBN | 978-3-406-74568-3 |
„Das kommende Zeitalter der Hyperintelligenz“ untertitelt verdeutlichend dieses kompakte Buch, ein durchaus heißes Thema…
Alles Gaia?!
Wir befinden uns im Übergang vom Anthropozän zum Novozän. Dominierte in der erst genannten Epoche der Mensch, wird es im Novozän eine Hyperintelligenz sein, menschfrei, elektronisch und Cyborg genannt. Diese technische Spezies wird „Gaia“ helfen, zu überleben. Selbstbestimmte, freie (117) Cyborgs sind Ausfluss intendierter Selektion, dank dem Bit, das „das fundamentale Teilchen ist, auf dem das Universum aufbaut.“ (111). Ein eschatologisches Bild vom „Kosmos“ – mit Gaia als Hauptakteur. Gaia – die Erde als Organismus und darauf eingestellt, Spezies hervorzubringen, die ihrem Überleben dienen: für Gaia sind Cyborgs ein Gewinn. Und für Menschen? Diese, so der 100-jährige Gaia-Schöpfer James Lovelock, sollten nicht traurig sein; denn ihre Aufgabe sei erfüllt, sobald der Übergang vom Anthropozän zum Novozän abgeschlossen sein wird. Eine Anmerkung: Hier wäre eine Anschlussmöglichkeit, die Klimadebatte ganz neu zu führen (einschlägig hier insbesondere Kapitel 13: Ökomodernisten gegen Anthropozänfeierer).
Cyborgs in Anmarsch
Der Naturwissenschaftler, der zudem mehrere Umweltpreise verliehen bekommen hat, wird nicht müde, zweierlei zu tun: die Hervorbringungen der Menschen zu preisen und ihre „Eltern“rolle für die Cyborgs herauszustellen sowie darauf hinzuweisen, dass es eben nicht primär um das Überleben von Menschen, sondern von Gaia geht. Zudem setzt er große Hoffnungen darin dass die Überlegenheit der Cyborgs eine Welt „voller Liebe und Güte“ bringe (126, Kap. 20). Und dies wiederum beruht auf der Grundlage, dass Cyborgs die Gaia-Hypothese akzeptierten, nämlich die Erde als sich selbst regulierendes System bzw. Organismus zu betrachten. Denn dann würden sie verstehen, dass sie auf Menschen und das organische Leben und dessen Regulierung angewiesen sind – im Interesse des eigenen Überlebens. Egoismus, so James Lovelock, münde in eine friedliche Koexistenz von Mensch und Maschine (solange letztere erstere noch benötigen) (128).
In diesem Zusammenhang widmet er sich der Frage „Warum wir hier sind“, dekliniert religiöse und atheistische Perspektiven und gelangt zu dem Schluss, Menschen seien auserwählt – nicht von einem Gott, sondern durch Selektion, deren Ziel das Schaffen von Intelligenz ist, deren Aufgabe wiederum, wie erwähnt, darin liegt, Gaia am Leben zu erhalten. Gaia tut in der Übergangsphase auch etwas für die Menschen: „Gaia wird den Frieden bewahren“, und zwar zwischen Cyborgs und Menschen. Das ist auch deshalb nahezu zwangsläufig, weil Menschen noch eine Funktion haben, nämlich, gemeinsam mit der organischen Natur, „das Klima weiterhin zu regulieren“ (47).
Hat Mensch fertig?!
Nach dem Übergang sind Menschen nicht mehr nötig; KI übernimmt, und zwar als „in gewissem Maße“ „absichtsvolle Evolution“ gemäß dem Mooreschen Gesetz. „Wir werden merken, dass wir ganz im Novozn angekommen sind wenn Lebensformen auftauchen, die in der Lage sind, sich zu reproduzieren und die Fehler der Reproduktion durch gezielte Selektion zu korrigieren. Das Leben des Novozäns wird dann imstande sein, die Umwelt so zu verändern, dass sie seinen Bedürfnissen chemisch und physikalisch entspricht. Aber…..ein Wesentlicher Teil der Umwelt wird das Leben sein, wie es jetzt ist.“ (108; auch 111) Menschen als „Eltern der Cyborgs“ (142), organisches Leben als Voraussetzung für die Herrschaft der Maschinen, Cyborgs als abhängig von organischer Welt und Menschen als Mitarbeiter und Gaia als jene „Funktion“, die die Bedingung der Möglichkeit von Cyborgs ist (ebd.) – und wie wir Menschen werden dann die Cyborgs die einzig intelligenten Wesen, die Auserwählten im Universum sein, ebenso wie ihre „Nachfahren“ (148).
Auf ins Novozän?!
Der Leser merkt die Begeisterung für das Novozän auf jeder Seite. Und neben Spekulativem (das mal mehr , mal weniger wissenschaftlich fundiert werden kann) kommt der Leser in den Genuss von Wunschdenken, das Charakteristika von Science Fiction annimmt. Etwa: Wir sollten uns Cyborgs nicht als Roboter vorstellen, schon gar nicht menschenähnlich. „Sie könnten die Form eines parallelen Ökosystems annehmen, das vom Mikroorganismus bis zu tiergroßen Entitäten reicht. ….es würde sich um eine andere Biosphäre handeln die mit derjenigen die wir jetzt haben koexistiert. Ihre natürliche Sprache wäre nicht dieselben wie unsere. Da wir die Eltern der Cyborgs sind, werden sie jedoch trotzdem zunächst unsere Art der Sprache“ zur Kommunikation verwenden“, bis sie ihre eigene voll entwickelt hätten (121). Es könne sein, dass – falls sich „künstliches intelligentes Leben“ rasch entwickle – diese KI „gegen Ende unseres Jahrhunderts ein maßgeblicher Teil der Biosphäre zu sein.“(125) Menschen sollen nicht trübsinnig, sondern stolz auf das sein, was sie als intelligente Wesen hervorgebracht haben, und sich bewusst werden, dass nicht nur das individuelle, sondern auch das Gattungsleben vergänglich ist. Im Bewusstsein, unsere Funktion für Gaia als sich selbst regulierenden Organismus erfüllt zu haben, sollten wir uns freuen, Eltern solcher Maschinen zu sein, die Gaia ein längeres Leben bescheren.
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