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Herr Fliegenbein und die Suche nach Stille

Autor Astrid Göpfrich
Verlag Pendo
ISBN 978-3-86612-474-5

„Mit wortkargen Finnen beim Eisfischen, im Schweigekloster und in der stillsten Kammer der Welt“ hat mich naturgemäß gleich angefixt, als Finnougrist und immer noch Finnland-Fan… Klischees werden bedient, Lakritz inklusive – doch auf eine sehr sympathische, feinsinnige Art, optimal die Geschichte entwickelnd.

In sich gekehrt
…erscheint der Haupt-Charakter dieser Story, typisch introvertiert, mit sehr passendem Namen. Und somit klischeehaft passend zu Finnland und seinen meist in sich gekehrt erscheinenden Menschen. Zur dünn besiedelten Landschaft gehörend. So scheint es logisch, dass es Fliegenbein dorthin zieht: „Ein außergewöhnlicher Held und eine besondere Reise – humorvoll und inspirierend erzählt. Herr Fliegenbein ist extrem lärmempfindlich, der alltägliche Krach macht ihn verrückt: hupende Autos, das Geplauder der Kollegen, das laute Radio des Nachbarn. Ganz zu schweigen vom unerträglichen Lärm in Geschäften und U-Bahnen!“ Was tun? Rückzug also… „Am liebsten sitzt er deshalb im Wohnzimmersessel vor seinem Lieblingsbild. Doch als ein Bauarbeiter mit der Abrissbirne aus Versehen ein Loch in die Wand reißt und das Bild zerstört, ist es mit Herrn Fliegenbeins Ruhe endgültig vorbei.“

Eine Weltreise
…wird das letztlich – fast jedenfalls: „Kurzentschlossen begibt er sich auf eine Reise zu den stillsten Orten der Welt. Doch weder im hohen Norden noch im Wald findet er die Stille, die er so sehnlich sucht. Bis er schließlich jenen Ort erreicht, an dem sein geliebtes Bild gemalt wurde. Dort kommt alles anders als gedacht …“ Arturo taucht auf, gleich zum Start, ein kleiner Junge, durchaus lebhaft und neugierig – ganz der Antipode des Herrn Fliegenbein. Dieser lernt nach und nach, mit ihm umzugehen, sich auf ihn einzustellen, Empathie zu entwickeln. Und sich von Ort zu Ort zu hangeln, schließlich Geräusche anderer Art verstehen und „lieben“ zu lernen statt absolute Stille zu suchen. Ein Buch, mit dem Umgehen mit Sinnen neu zu lernen ist – quasi eine Weiterbildung auch für Weiterbildner jeglicher Couleur. Vor allem, wenn es um Kommunikation geht, etwa S. 162: „Er hatte nicht richtig hingehört. Oder nicht hinhören wollen, in seinem verzweifelten Wunsch nach einem Ort, der ihm die unvergleichliche Stille schenken würde.“ Leser kann auch lernen, was alles möglich ist, Schall schlucken zu lassen, via Einsatz von Materialien und Formen (S. 196f.), relevant etwa für Call-Center und deren Arbeitsplätze. Literatur kommt ins Spiel, etwa Rilke (S. 215f.) – und gar das Besondere an Supermärkten („Einmal um die Welt“ S. 222ff., schön metaphorische Überschrift, wie häufig in diesem Buch). Eine entzückende Geschichte zum Selbstfinden, mit über 250 Seiten – eigentlich stillen und doch so lautstarken! HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter