Kryonium
Autor | Matthias A. K. Zimmermann |
Verlag | Kadmos |
ISBN | 978-3-865-99444-8 |
„Die Experimente der Erinnerung“ ist ein Roman, der mit den Genres spielt. Darüber zu schreiben, ist a bissal schwierig: Gilt es doch durchaus, Spoiler zu vermeiden…
Die Erinnerung spielt
…dem Protagonisten offenbar den einen oder anderen Streich, wie sich relativ bald heraus stellt, Kapitel für Kapitel. Märchenhaft ist es, das erste, dessen Überschrift sofort klar macht: irgendwas mit Gehirn und Erinnern, „Amnesie“ nämlich. Doch erst einmal die Story kurz gefasst: „Gefangen an einem unbekannten Ort, schmiedet der Erzähler heimlich Fluchtpläne. Die Tatsache, ohne Erinnerungen zu sein, erschwert das Vorhaben. Doch der Drang, endlich auszubrechen aus diesem furchteinflößenden, schneeverwobenen Schloss, lässt ihn jedes Risiko eingehen.“ Irgendwie ist diese Person offenbar gefangen, à la „Und ewig grüßt das Murmeltier“. Doch in Wahrheit steckt Anderes dahinter, wie Kapitel 2 andeutet: „Monotonie“, nun in einem anderen Umfeld. Erklärt übrigens im Nachwort (S. 317ff.), das Leser tunlichst wirklich als solches lesen sollte statt vorher!
Alles digital oder was?
Das wiederum deuten Umschlags-Text und Kapitel 3 deutlich an: „1, 10, 11, 100, 101, 110, 111, 1000, 1001“ erinnert Sie woran? Klar, binär det Janze – mit klar wieder neuem Kontext, wie auch hier angedeutet: „…so gerät der Erzähler immer tiefer hinein in einen wirren Strudel aus rätselhaften Begegnungen und magischer Paranoia, die er spielerisch zu entschlüsseln hofft, was ihn letztlich zum Ursprung seiner Erinnerungen führt. Der All-Age-Roman ist ein technoides Märchen, das sich mit Virtualität auseinandersetzt und die Frage aufwirft, was Erinnerungen sind und was sie bedeuten. Nichts ist so, wie es scheint in der Geschichte und die Frage, was Realität ist, muss immer wieder neu überdacht werden.“ Ein fein gewobenes Verwirrspiel, das der Autor geschickt in den jeweiligen Kontext integriert, zugleich wechselweise Bezüge herstellend, wow! Ach ja, der Autor: Eigentlich bildender Künstler, mit seinen „Modellwelten“, mit denen er Kunst-, Design- und Mediengeschichte reflektiert und erforscht (siehe „Digitale Moderne“ über ihn, bei Hirmer). Also auch in seinem Wirken Medien-übergreifend … GABAListen finden hier also Ansätze zu Themen wie Methoden-übergreifend oder aktivierendes Anwenden!
Recht viel Sprache
… wird ebenfalls reflektiert, was mich als Sprach- und Text-orientiertem Menschen natürlich Vergnügen bereitet. Siehe etwa S. 64f. (und andernorts) Bandwurm-Wörter oder das wieder kehrende Spiel mit Palindromen, also von vorne wie von hinten gelesen gleich lautende Wörter (auch mit Zahlen übrigens), etwa S. 112. Ansonsten eine Menge selbst reflektierende Momente – und auch Mathematisches, schon mal via Widmung angedeutet: Archimedes und dessen Formel zum Errechnen des Kugel-Volumens… Das ausführliche, exzellente erklärende wie interpretierende Nachwort stammt von Stephan Günzel, Medienforscher mit dem Schwerpunkt Game Studies… HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de