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Documenta-Magazin

Eine „Inklusiv-Besprechung“ – als Erleben der documenta und den Katalog einbeziehend…
Für mich hat sich wieder einmal bestätigt: Kunst hat viel mit Erleben zu tun. Magazine und Katalog mögen Einblicke geben. Dennoch wirkt „Kunst“ an sich – und in offenen Umgebungen à la documenta erst so richtig. Über Geschmack lässt sich ja trefflich (wie ;-) kunstvoll) streiten; wenn Sie mitreden möchten, fahren Sie nach Kassel – noch ist Zeit (bis 23. September 2007, täglich 10-20 Uhr; siehe www.documenta12.de). „Education“ hat mich besonders interessiert, weil ich hier Nähe zu uns Weiterbildnern vermutet habe; gemeint ist allerdings: „Bildung“ für Künstler… Die Magazine (wie der Katalog bei Taschen erschienen) sind interessant vor allem deshalb, weil sie über die Ausstellung hinaus reichen: Es gehört zum Konzept der Kuratoren, vor und nach documenta 12 zu wirken. Beiträge von – eben – Magazinen aus aller Welt sind zusammen gefasst, die sich mit „Kunst“ auf die documenta beziehen, wenn auch die Autoren gar keine Aussteller sind… Multimedial kommt sie daher, die 12. documenta (seit 1955), und mit vielen Bezügen auf Vergangenes (siehe das Motto „Moderne aus der Klassik“). Spontan kam mir der Begriff „Recycling“ in den Sinn, als ich die ersten Objekte gesehen hatte:

  •  Wiederkehrendes aus früherer Zeit (dann als Rekonstruktion etc.)
  •  Transferieren von Alt-Material (vor allem: Metallen, Kunststoffen) auf Kunst-Objekte
  •  Wiederholen gleich(art)(ig)er Objekte oder auch Künstler an verschiedenen Stellen.

Die documenta  verteilt sich ja über diverse Ausstellungs-Gebäude, von denen eines als documenta-Halle in den Karlsauen extra errichtet ist und weitere Objekte im Freien zu finden sind – etwa auch Reis-Terrassen oder Mohnfeld. Über das „Wiederholen“ erschloss sich mir die Verbindung zum Lernen, zum Trainieren, gerade via Wiederholen mit Veränderungen, um so neben Trampelpfaden im Gehirn das Speichern in unterschiedlichen Umgebungen zu sichern. Es gibt Objekte, die zum Teilnehmen auffordern – und über aktive Beteiligung erst erfolgt Lernen mit Langzeit-Wirkung, wie wir wissen. Beispiele sind:

  •  „Floor of the Forest“ (Trisha Brown), im Museum Fridericianum: „Tänzerinnen ziehen ihre Bahnen durch ein schwebendes Meer von Stoffen. Sie tauchen in Hosen, Pullover, T-Shirts und Röcke, strecken ihre Armen durch Öffnungen und bewegen sich zwischen Boden und Decke entlang der gespannten Seile… Die Präsenz der Tänzerinnen… führt vor Augen, wie eng Werk, Architektur und Publikum als Zusammenspiel einer ästhetischen Erfahrung miteinander verknüpft sind“.
  •  „Fairytale“: 1.001 Stühle aus der Qing -Dynastie (1644-1911), gesammelt und restauriert von Ai Wei-Wei, dem chinesischen Künstler, der auch 1.001 Chinesen nach Kassel geholt hatte – verteilt über die documenta-Orte, einzeln oder in Gruppen, be-setzbar von den Besuchern.
  •  „Would you like to participate in an artistic experience?“ (Ricardo Babaum), im Aue-Pavillon: “Seit 199e befindet sich… in Entwicklung… Das Objekt war als Multiple konzipiert, von dem zwanzig Exemplare hergestellt wurden. Mit einer Ausnahme zirkulieren diese nun um die Welt.“

Die Zitate stammen aus dem Katalog… Zurück zu den Magazin-Bänden: Bei „Education“ fand ich mehr Bezüge zum vorigen Thema „Life“, etwa über das „bloße Leben“, das naturgemäß jenseits von Europa eine stärkere Rolle spielt als in unserer fortgeschrittenen Zivilisation – doch holt uns das Thema mehr und mehr ein, siehe Migration. Wer will, kann sich hier an die Maslow´sche Bedürfnis-Pyramide erinnert fühlen: Solange es um das bloße (Über-)Leben geht, ist es schwer, weiter entwickelte Bedürfnisse (bis hin zur „Selbstverwirklichung“) anzusprechen… Ein Projekt wird in „Education“ zitiert, das Bezüge zur (Weiter-)Bildung eindeutig hat: Das Beobachten von Lehrern und Lernenden mit Videos und die Rezeption des Gefilmten (Darcy Lange: Work Studies in Schools 1976-1977, Neuseeland; S. 30 ff. – etwa: „So wie ich diese Menschen erforschte, erforschten sie mich, und wir haben uns gemeinsam veärndert.“ (Hierzu passt meine Rezension zu „Bildungs- und Lerngeschichten“, siehe dort.)
Nun, jeder Betrachter von Kunst schafft durchs Betrachten alleine schon eigene Wirkung; erst recht dort, wo Beteiligung möglich ist – siehe etwa die Teilnehmer-Runden von geführten Besichtigungen, die sich auf Ai Wei-Wei´s Stühlen niederlassen – und so eine immer wieder neue Komposition bilden (!)…
Eine Menge Anregungen könnte ich mir für Sie vorstellen, wenn Sie als TrainerIn die documenta besuchen – neben dem Kunstgenuss für Ihr „persönliches Wachstum“ also Ideen, mit der Sie Ihre „Zukunftsfähigkeit“ weiter sichern…

Hanspeter Reiter