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Werte, Worte, Taten

Autor Scheitler, Christine/Stefan Wetzel
Verlag sonstige

174 Seiten
ISBN: 3258071020
Preis: 32,00 Euro

 

Der Titel erweckt Neugier, und bei manch einem Leser stellt sich die freudige Erleichterung ein, das Thema „Werte“ ausdrücklich in Trainingsmaßnahmen eingespeist zu finden. Das ist zwar nicht neu; denn im Anschluss an die Konjunktur der „Unternehmenskultur“ in den 80er Jahren wurde der Blick auf „Unternehmensethik“ gerichtet und in dieser Tradition sowie im Kontext skandalisierter Verhaltensweisen von hohen Führungspersonen medienwirksam auf individuelles und soziales Handeln in Unternehmen übertragen. Auch ethisch unterlegte Personalarbeit war in den 90er Jahren stark in der Diskussion. Dennoch: Der Titel klingt viel versprechend, und die Leserin ist gespannt darauf, wie das Sujet „Werte“ erörtert und in ein Trainingskonzept transportiert wird.
Sobald „Werte“ als Grund legender Aspekt, als Ausgangspunkt für das, was die Autoren „Kompetenzentwicklung“ nennen, genommen wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Leser erwarten, über Tradition, Verständnisweisen und Facetten dieser Kategorie menschlichen Lebens eingehend und fundiert informiert zu werden. Dieser Erwartung wird das Buch nicht gerecht. Das Reflektieren über Werte, über Ethos und Ethik und Moral, ist eine Domäne von Philosophen, eine genuin philosophische Diszplin mit einer Jahrtausende alten und äußerst bewegten Geschichte. Diese Historie findet ebenso wenig Erwähnung wie ihre Vielfalt; stattdessen wird, erstens, Wikipedia als autorisierende Quelle heran gezogen und, zweitens, die Werte-Thematik in den Dunstkreis des psychologischen Modells der emotionalen Intelligenz gestellt. Das hätte ich mir anders gewünscht…
Lesern, denen dieses wenig bis nicht vorhandene Reflexionsniveau genügt, werden kaum darüber stolpern, dass die Autoren den Wertebegriff unterschiedlich definieren und wenden, etwa als „Prinzip für Denk- und Verhaltenswegweiser“, als „Gefühl“, oder sie behaupten, dass es „Vorbilder“ braucht, um Werte zu leben; an manchen Stellen unterscheiden sie materielle und immaterielle Wertorientierung nur geringfügig. In dieser locker (und das meint auch: oberflächlich) gedachten und formulierten Weise geht es weiter. Die Autoren generalisieren, behaupten, wiederholen (auch noch so Triviales) und schreiben vor. Beispiel für unzulässige Generalisieren: Im Kontext des Antwortens auf Veränderungen: „Wie reagiert der Mensch auf diese Situation?“ S. 12 – „der“ Mensch reagiert gar nicht; denn er ist ein Abstraktum. Die Autoren verheißen, unstrittige Antworten geben zu können auf normative Fragen (z.B. „Wie sollte er sich verhalten … Hier wäre ein Mensch passend, der sich durch folgende Merkmale auszeichnet ….“S.12 – „passend“ nach welchen Kriterien, auf welche Referenz hin? Etc.). Wer bereit ist, beim Thema „Werte“ auch stark Wertendes hinzunehmen, wird gerne weiterlesen.
Das Autorenpaar deklariert, Werthaltungen offenbarten sich sowohl in Worten als auch in Taten; Wertüberzeugungen und ihr Bezug zum Handeln könnten in Programme für Weiterbildung explizit behandelt, eingeschleust und die persönliche Kompetenz „verbessern“. Nun, die Autoren lassen zwar auf Grund ihrer oft ultimativen und präskriptiven Äußerungen keinen Zweifel daran, welche Werte sie präferieren und was sie unter „Verbesserung“ verstehen. Leider unterbleibt eine Diskussion ihrer Wertorientierung; sehr wohl könnte man anderen Wertausrichtungen den Vorzug geben.
Das Programm, das sie vorstellen und dessen Ziel darin liegt; „Weisheitskompetenz“ zu erlangen, führen sie unter dem Namen „prozessorientierte Kompetenzentwicklung“ ein. Nun ja, schon hier vermisst die Leserin den Bezug zu Werten; denn wenn die Autoren angetreten sind, wie sie behaupten, expliziten Werten ausdrücklich zum Durchbruch zu verhelfen, dann erscheint es nahe liegend, dies auch im Titel des Programms sichtbar zu machen. Allerdings erstaunt dieses vermeintliche Manko nicht, sobald das Buch durchgelesen ist.
Der Leser findet eine laut Autorenpaar durchgeführte Maßnahme in einzelnen Phasen beschrieben – mit allen vorbereitenden Details wie etwa Auftragsabklärung etc. bis hin zur Auswertung und seitenlangen Zitaten von Teilnehmerfeedbacks. Auch hier findet sich Redundanz in hoher Dichte, werden Banalitäten ausgebreitet  – und der Leser registriert eine bemerkenswerte Abstinenz der Diskussion oder zumindest der Darstellung, wie die Thematik „Werte“ faktisch besprochen, behandelt, eingeführt, vermittelt, mit ihr oder gar an Werthaltungen gearbeitet wird. Stattdessen findet er Anleihen aus oder Kurzbetrachtungen von bekannten Konzepten wie beispielsweise Transaktionsanalyse, Schulz von Thun, Ausführungen zu Feedback etc. und zahlreiche Hinweise auf das, was „besonders wichtig“ zu beachten ist.
Fazit: Vor allem jene Leserinnen und Leser, die interessiert sind, einen Eindruck davon zu erhalten, wie ein Trainingsprojekt durchgeführt werden kann bzw. wurde, werden einen Nutzen von der Lektüre haben.
Ergänzende Stichworte von Hanspeter Reiter:
Der Titel mag Erwartungen wecken, die dem Inhalt weniger entsprechen. Für mich war interessant, dass die Autoren das Begleiten und Entwickeln von Change-Prozessen in nachvollziehbarer Form aus ihrer Praxis heraus präsentieren. Dabei fokussieren sie auf das Erkennen und Zusammenführen von Werthaltungen, etwa bei Fusionen – die häufig eben am mangelnden Berücksichtigen von Werten scheitern. Transfer und Nachhaltigkeit werden betont; die Herleitung aus unterschiedlichen Konzepten immerhin mit Verweisen und Zitaten unterlegt, was heutzutage ja häufig genug unterbleibt; das „sowohl – als auch“ statt dem üblichen „dies statt dem“ hervor gehoben. – GABAL-like sind die Perspektiven „persönliches Wachstum“ und „Zukunftsfähigkeit entwickeln“. – Vertiefend könnten sein: Werte- und Normenspiel (wird in Regionalgruppen angewandt); GABAL-Symposium 27./28. 10. 2007 in Oberursel (siehe Workshop Gabriele Schendl-Gallhofer); STUFEN ZUM ERFOLG (Prof. Dr. Hardy Wagner).

Hanspeter Reiter