Skip to main content

Die Weiterbildungslüge

Autor Richard Gris
Verlag sonstige
Seiten 248 Seiten
ISBN 3593386798
Preis 24,90

Vom Sommerloch-Füller zum Sommertheater des Buchmarktes entwickelte sich eine Neuerscheinung in der Weiterbildung: Ein Dr. Reinhard Gris (Pseudonym) präsentierte „Die Weiterbildungslüge: Warum Trainings und Seminare Kapital vernichten und Karrieren knicken.“ Wer das Buch genau las, stellte fest: Da wird bohrend „den Finger in die Wunde gelegt“, doch nichts wirklich Neues präsentiert. Die daraus folgende monatelange über die Fachblätter öffentlich geführte Diskussion hat vor allem dreierlei bewirkt:

Eine Reihe von Bildungsanbietern nutzte die gebotene Plattform freudig zur Selbstdarstellung unter dem Tenor „wir machen das natürlich völlig anders!!“.
Die Auflage stieg rasant, Buchhändler, Verlag wie Autor konnten sich freuen.
Am meisten wird der Autor profitiert haben, weiß er doch am besten, wie er seinen Auftraggebern gegenüber argumentieren muss, ohne sich outen zu müssen…

So genannte Enthüllungs-Geschichten gibt es immer mal wieder für das eine oder andere Thema, seien es Manager allgemein oder Branchen im Besonderen (nahe an unserem Thema: „Beraten und verkauft“ von Thomas Leif). Fast zeitgleich zur „Weiterbildungslüge“ erschien denn auch „Der Megaseller“ mit dem Anspruch, in Romanform der Buchbranche und ihren Machenschaften ans Leder zu wollen. Auch dies ein Aufwärmer, denn vor wenigen Jahren war „Der Bestseller“ erschienen, der andere Details gleicher Machart präsentiert hatte. Zurück zu „Gris“:

Tatsächlich greift der anonym bleibende Autor – nach eigener Aussage selbst in diesem Geschäft unterwegs – Themen auf, die „auf beiden Seiten des Schreibtisches“ von Trainern wie von Personalern längst kontrovers diskutiert werden und setzt sie plakativ in Szene. So haben Verbände wie GABAL e.V. (www.gabal.de) schon 2000/2001 auf Branchen-Messen wie der didacta  Bildungsmesse mit der Frage provoziert: „Ist Weiterbildung für die Katz´?“. In mehreren Symposien haben Verbände wie GABAL Bildungscontrolling aus verschiedenen Blickwinkel beleuchtet und dabei auch Referenten wie die von Gris zitierte Dr. Barbara Gülpen einbezogen. So entstand bei mir der Eindruck, es müsse sich um einen Teilnehmer dieser Symposien handeln…

Insoweit ist der empörte Aufschrei einer kompletten Branche kaum nachvollziehbar, es sei denn, der eine oder die andere neidet Verlag und Autor den Erfolg dieser Publikation. Schließlich ist längstens und weithin bekannt, dass…

… Happy-sheets (auch Smile-sheets genannt) wenig über den „Lernerfolg“ oder den „Trainings-Transfer“ aussagen
… mangelnde Unterstützung vonseiten Vorgesetzter wie auch Kollegen kontraproduktiv wirken
… Personaler sich schwer tun, wirklich beratend ihre Funktion als Katalysator im Unternehmen wahr zu nehmen – oder als „Schmierstoff“ der Personalentwicklung zwischen Geschäftsleitung und Teilnehmern unterschiedlichster Hierarchiestufen
… nach wie vor Messwerte fehlen, Quantität wie auch vor allem Qualität von Weiterbildungsmaßnahmen bewerten zu können – dazu später im Kapitel bei „Bildungscontrolling“
… viele Teilnehmer in Seminare geschickt werden statt sich selbst dafür zu entscheiden – und entsprechend demotiviert, falsch motiviert (Freizeitvergnügen?) sowie unvorbereitet-abwartend erscheinen
… andererseits Teilnehmer Seminare nach Kriterien auswählen, die weder ihnen noch dem finanziell dabei engagierten Unternehmen etwas Sinnvolles bringen, siehe: nützt die Maßnahme für diese Person im gegebenen Umfeld?
… zu fragen ist, ob tatsächlich ein Seminar in der gegebenen Situation die erfolgsträchtige Maßnahme ist oder andere sinnvoller wären – also: andere Person, etwa der Vorgesetzte; andere Maßnahme, etwa ein Coaching; anderes Thema usw.
… Volkshochschulen, Industrie- und Handelskammern und viele weitere (halb-)öffentliche Anbieter über häufig nebenberufliche Dozenten durchaus brauchbare Weiterbildung zu deutlich kleineren Preisen als private Institute bieten – und andererseits hauptberuflich tätige Trainer ihre weitaus höheren Honorare rechtfertigen.

Meine Quintessenz aus dieser Lektüre fasse ich so zusammen: Quantität wie auch Qualität von Weiterbildungsmaßnahmen sollten stärker validiert werden als das bisher wohl tatsächlich der Fall ist, so der legitime Ansatz. Dass Personalverantwortliche als Nachfrager wie Bildungsanbieter nach wie vor recht hilflos erscheinen, wenn nach Erfolgen der Investitionen gefragt wird, beschäftigt seit 2003 sogar einen eigenen Fachkongress Bildungscontrolling (www.bildungscontrolling.com).

Beim GABAL-Symposium 2004 wurde zudem eine Formel eingeführt, die Dr. Reinhard Gris (Weiterbildungslüge) neben einer anderen von Markus Aschendorf  (mit 13 Faktoren) zitiert und so bewertet: „Abstruse Formeln: Veränderungseffekte sind nicht sinnvoll in Geld auszudrücken“ (S. 220ff.). Dr. Barbara Gülpen hatte diese Formel entwickelt und in ihrem Beitrag mit dem Titel „Integriertes Bildungs-Controlling in Seminaren und Entwicklungsprogrammen“ ausführlich erläutert. Nebenbei bemerkt: Da es kaum möglich ist, auf diesen Beitrag eher zufällig zu stoßen, unterstelle ich, dass der anonyme Autor Dr. Gris wohl einer der Teilnehmer des GABAL-Symposiums in Oberursel gewesen sein muss ? … Wer sich näher mit dieser Formel befassen möchte, sei auf diesen Link verwiesen:
https://www.gabal.de/download-details.php?id=4

Was immer wieder durchscheint ist, dass alle angesprochenen Kritikpunkte rund um Mängel der Weiterbildungsangebote sich auf eine einfache „Formel“ reduzieren lassen: Unzufriedenheit aufgrund der Diskrepanz von Erwartung und deren unzureichender Erfüllung!  Entsprechend gilt es, das grundlegende Handwerkszeug zur Strukturierung eines Seminars, Trainings oder anders gearteten Weiterbildungsangebots zu nutzen. Der positive Effekt aus dem Einsatz von Abfragen und/oder Programmabstimmung zu Anfang einer Maßnahme:

Teilnehmer verdeutlichen sich ihre eigenen Ziele und die des Unternehmens
Mangelnde Vorbereitung wird nachgeholt
Unerfüllbare Erwartungen können sofort korrigiert werden
Trainer kann sein Programm anpassen, soweit sinnvoll und möglich
Abgleich Trainer / Teilnehmer mit den Vorgaben / Zielen des Auftraggebers kann geschehen
Zusammenführen der unterschiedlichen Ziele der Teilnehmer
Trainer stellt seine Erwartung und mögliche Erfüllung vor: das Programm

Letztlich machen Sie auf diese Weise das Preis-Leistungs-Verhältnis deutlich und vermeiden, dass sich Fehler dieser Art während des Seminars oder im Nachklang negativ auswirken:

Mangelnde Vorbereitung, siehe Ziele von Teilnehmern, Vorgesetzten, Personalentwicklern: hat der Trainer diese abgefragt?
Kommunikations-Lücken: Texte Trainer, Briefing Auftraggeber, Formulierungen Auftrag …
Transfer in den Arbeitsalltag: Vorgesetzte bleiben außen vor oder stehlen sich aus der Verantwortung, statt die Maßnahme zu begleiten.

Tipp: Sorgen Sie aktiv dafür, dass Ihr Angebot auch durch einen abgesprochenen Leistungskatalog vergleichbar ist und gegenüber Mitbewerbern stark wirkt. Gerade dann, wenn Ihr Preis in der aktuellen Situation eher hoch erscheint. Sie vermeiden es auch, ungewollt nachträglich in eine Erfolgsdiskussion zu geraten. Alternativ wählt mancher Weiterbildner die offensive Variante:

(Diese Rez. Ist eine Vorab-Version einiger im „Handbuchbuch Bildungsmarketing“ erscheinenden Textblöcke im Zusammenhang mit Preisgestaltung von Weiterbildungsmaßnahmen.)

HPR reiterbdw@aol.com www.reiter-medienconsulting.de

Hanspeter Reiter