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Heimliche Fährten

Autor Louise Penny
Verlag Kampa
ISBN 978-3-311-12020-9

„Der sechste Fall für Gamache“ bietet doppeltes Geschehen – eines davon im Anschluss an den vorigen. Denn „Manche Fälle sind niemals abgeschlossen, besonders nicht für Chief Inspector Gamache“! Doch letztlich geht es tatsächlich um drei echte Fälle, „parallel geschaltet“, nach und nach dem Leser eröffnet.

Bereit sein zum Selbstzweifel
… ist das Credo dieser Ermittler-Figur, doch damit zurecht zu kommen, steht auf einem anderen Blatt: Eine ganze Reihe von Fehlern schreibt Gamache sich persönlich zu, beim letzten Großeinsatz seiner Truppe, der sich nach und nach ins Geschehen schleicht. Erinnert er (wie übrigens auch Stellvertreter Beauvoir parallel) sich an diese schrecklichen Ereignisse, die zwar einerseits Schlimmes zu verhindern halfen, andererseits in einem persönlichen Desaster endeten. Weswegen beide derzeit suspendiert sind und sich erholen sollen. Wenn das so einfach wäre… Trotz diesem Ereignis: „Carnaval de Québec, der größte Winterkarneval der Welt. Es ist bitterkalt – und überwältigend schön. Chief Inspector Gamache ist jedoch nicht wegen der Festlichkeiten in die Stadt gekommen. Er muss sich von einem verhängnisvollen Einsatz erholen: Bei einer Schießerei auf einem verlassenen Fabrikgelände wurde nicht nur Gamache selbst schwer verletzt, es sind auch mehrere seiner Männer ums Leben gekommen. Gamache sucht Ablenkung bei seinem Freund und ehemaligen Mentor Émile Comeau, geht mit seinem Hund spazieren, isst hervorragend und sitzt stundenlang in der Bibliothek der Literary and Historical Society in der Altstadt.“ Leser ahnt es schon:

Historie literarisch verfügbar
Zwar betreibt Gamache eigentlich „nur“ eigene Recherche, seiner These zu einer entscheidenden Schlacht um Quebec Nahrung zu geben. Doch „als im Keller der Bibliothek eine Leiche gefunden wird, steckt Gamache schnell mitten in den Ermittlungen.“ Wenn auch außerhalb seiner Zuständigkeit, doch doppelt gebeten, vom örtlichen leitenden Ermittler wie von der Hauptfigur des Trägervereins der „Lit&His“ – u.a. wegen schwieriger Kommunikation zwischen der lokalen englischen Minderheit, den Anglos, und den in der frankophonen Provinz Quebec„herrschenden“ Frankos… „Das Opfer, der als verrückt verschriene Hobbyarchäologe Augustin Renaud, war besessen davon, die sterblichen Überreste des Gründers von Québec zu finden. Aber kann das Geheimnis um Samuel de Champlains Grabstätte so schrecklich sein, dass jemand deswegen einen Mord begeht?“ Damit ist er beschäftigt – und folgt schließlich auch den eigenen Zweifeln im Vor-Fall: „Unterdessen erhält Gamache sorgenvolle Post aus Three Pines: Ein Dorfbewohner sitzt wegen Mordes hinter Gittern, und wer, wenn nicht Gamache, könnte den Fall neu aufrollen?“ Das überlässt er denn seinem Stellvertreter, dem er auf diese Weise ebenfalls Abstand schafft, zum vorherigen tragischen Geschehen. Auch hier also wie gewohnt der Blick auf die Führungskraft Gamache! Den vom Mentor aufgenommen Leitsätzen auch „heute“ folgend: „Es tut mir leid. Ich hatte unrecht. Ich brauche Hilfe. Ich weiß nicht.“ (S. 239)

Geschichte
… spielt also gerade in diesem Band eine besondere Rolle, exzellent recherchiert von der Autorin, wie dem Nachwort zu entnehmen ist (Danksagung, S. 519ff.) – und bietet dem Leser gleich noch zwei weitere Fälle, was den besonderen Umfang von mehr als 500 Seiten begründet, mit immer hoch gehaltener Spannung: In einem geht der Inspector einer (zunächst) entscheidenden Schlacht nach und versucht die Ursachen fürs damals überraschende Ergebnis zu ergründen (erläutert u.a. S. 266f., S. 329f., S. 357f.). Der andere trägt eben zum Geschehen No. 3 bei, dem aktuellen in Quebec: Was geschah wirklich mit dem Leichnam des Nationalhelden Champlain, über den wohl überraschend wenig Persönliches bekannt scheint (siehe S. 356)? Auch dafür liefert Louise Penny via Gamache eine Erklärung … Unterhaltsam wie informativ, etwa auch bezogen auf die kanadischen Indigenen (vom Stamm der Cree, das Geschehen verständlicher machend – S. 501f.)! HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter