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Der schlaflose Cheng

Autor Heinrich Steinfest
Verlag Piper
ISBN 978-3-492-31686-6

„Sein fünfter Fall“ – und der Schluss klingt irgendwie so, als könne es sein letzter sein?! Jedenfalls suchte ich einen Cliffhanger vergebens, sein eh schon entschwundener, nurmehr „gefühlter“ Hund Lauscher verschwindet offenbar endgültig, wie möglicher Weise auch sein Gedächtnis – und seine Rolle hat er eh schon getauscht, im Laufe des Geschehens …

Wiener Detektiv mit chinesischen Wurzeln
Ein völlig anderer Charakter also als die diversen anderen chinesisch-stämmigen, meist US-amerikanischen Detektive à la Charlie Chan & Co. Die u.a. Ihre Auftritte mithilfe fernasiatischen Kampf-Künsten haben (Dim Mak, S. 80f. etc.). Die gibt es auch hier, allerdings von anderen angewandt… Doch der Reihe nach, rund um den einarmigen, immer dezent elegant gekleideten Wiener: „Chen macht Urlaub. Besser gesagt, entfernt er sich räumlich, um fernab von Wien auf andere Gedanken zu kommen. In der Bar seines mallorquinischen Hotels spricht ihn ein Mann an – Peter Polnitz, die Synchronstimme des englischen Weltstars Andrew Wake. Cheng und Polnitz unterhalten sich über Gott und die Welt, gehen aber ohne die Absicht auseinander, einander je wieder zu sehen. Ein Jahr später melden die Nachrichten, Polnitz sei wegen Mordes an Wake zu lebenslanger Haft verurteilt worden – und seine Tochter taucht in Chengs Büro auf: Sie überredet ihn, den Fall zu übernehmen und Polnitz‘ Unschuld zu beweisen. Am Ende kennt er Polnitz besser, als ihm lieb sein kann – und weiß endlich, was er mit dem Rest seines Lebens anstellen soll.“ Seine Recherchen sowie Aussagen eines Ex-Geheimdienstlers führen weit in dessen frühere Leben zurück, die sich Cheng schon beim Gefängnis-Besuch teils eröffnet hatten…

Weit mehr als ein „Thriller“
…bietet dieses belletristische Highlight: Vielfach philosophisch angehauchte Dialoge und Gedanken, tiefschürfend wortspielend sowie Sprache und Sprechen interpretierend (S. 28 u.a.): Eine etwas andere Schreibe, die sich vergnüglich liest. Zugleich klug konstruierte Handlung, die den Leser für knapp 300 Seiten durch halb Europa führt: Neben Mallorca kommen auch England und Island ins Spiel – und gar darüber hinaus. Literarische Seitenflüge (S. 176 etwa, auch zu SciFi und Fantasy – und eine Literarische Gesellschaft in Schottland, S. 254f.) plus filmische Neben-Einlagen, dazu musikalische Saitenspiele runden das scheinbare Kern-Geschehen ab. Und die Figüren neben Cheng, seine Frauen vor allem (Vorzimmerdame Frau Wolf, Transgender-Freund(in) Margot) – fein, fein! Tja, und da er zwischendurch für ein paar Jahre entschwindet, um in Schottland nach einem Manuskript zu suchen, werden wir ja vielleicht zumindest über jenen Fall dann nochmals mehr lesen?! HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter