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Die Darwin-DNA

Autor Sean B. Carroll
Verlag sonstige
Seiten 320 Seiten
ISBN 978-3100102317
Preis 19,90

Natürlich gab es im Darwin-Jahr 2009 eine Schwemme von Büchern rund um ihn und um den weiten Themenkreis „Evolution“. Dieses Buch gibt tiefschürfenden Einblick, geht es doch immerhin um die „kleinsten bedeutungstragenden Zelleinheiten“ des Lebens. „Fische mit durchsichtigem Blut, Bakterien, die in über 100 Grad heißem Wasser leben, Affen, die keinen Daumen haben: Die Anpassung der Arten an ihre Umwelt ist eine der größten Leistungen der Natur.“  Dass tatsächlich das Zusammenspiel winzigster Zufallsveränderungen im Vererbungsprozess mit Umweltveränderungen dazu führen, dass sich Mutationen durchsetzen, ist eine wesentliche Erkenntnis der Nach-Darwin-Zeit. In diesen anderthalb Jahrhunderten nach und nach möglich geworden, weil die technische Entwicklung ganz andere Einblicke ermöglicht hat als sie Darwin seinerzeit haben konnte. So gesehen, ist seine Erkenntnisleistung nochmals höher zu bewerten. Übrigens auch seine politisch-diplomatische: Jahrzehntelang behielt er seine Analysen und Schlussfolgerungen für sich und veröffentlichte sie erst dann (nach rund zwanzig Jahren), als er hoffen konnte, sie auf einigermaßen fruchtbaren Boden fallen lassen zu können.

Zurück zum aktuellen Buch: Sich zu verdeutlichen, dann in Evolutionsgeschehnissen gerechnet, Zeitabläufe völlig anders zu sehen sind als innerhalb eines im Verhältnis extrem kurzen Menschenlebens, muss sich Leser erst einmal wieder vor Augen führen (S. 66ff.), siehe die berühmten letzten fünf Minuten, in denen der Menschen vor der Jetztzeit die Erde betrat, rechnen wir das Geschehen seit Entstehen der Erde bis heute als einen Tag von 24 Stunden. Einige 1.000 Generationen reichen für erhebliche genetische Veränderungen und damit je nach Lebensdauer (resp. erforderliches Alter für Fortpflanzungsfähigkeit!) wenige 1.000 Jahre… Faszinierend etwa der nun entschlüsselte Zusammenhang von Riechfähigkeit und Farbensehen: Zwar ist das Riechhirn beim Menschen nach wie vor ein archaisches Organ und wir reagieren auf Geruchsveränderungen ohne Umweg über Kontrollinstanzen, dennoch ist unsere Differenzierungsfähigkeit via Geruchssinn auf die Hälfte anderer Lebewesen geschrumpft, begründet hierdurch: „Beim Menschen schließlich sind 50 Prozent des Repertoires nur noch Fossilien. Der Anteil der fossilen Geruchsrezeptoren ist bei allen Arten mit vollständig ausgeprägtem Farbensehen signifikant höher. Dies lässt darauf schließen, dass die Evolution des trichromatischen Farbensehens, das solchen Primaten hilft, Nahrung, Paarungspartner und Gefahren auf visuellem Weg zu erkennen, die Abhängigkeit vom Geruchssinn vermindert hat.“ (S. 136)

„Use it or lose it“ ist das Folgekapitel (ab S. 137) überschrieben: Inzwischen weiß die Wissenschaft, dass Rezeptoren in Genen ab- oder abgeschaltet werden und je nach dem völlig unterschiedliche Ausprägungen in Organentwicklung oder auch Immunsystem erzeugen oder dieses unterlassen können… Was auch bedeutet, dass Erlerntes einer Generation durchaus an Folgegenerationen vererbt werden kann! Oha, wir sind beim Lernen: „Wie die neueste Forschung die Evolutionstheorie bestätigt“ ist der Untertitel dieses Buches, das mit einer Auseinandersetzung zu Kreationismus und anderen Anti-Evolutions-Theorien abgeschlossen wird. Das Einsetzen von Argumenten in stark emotionsbetonten Auseinandersetzungen ermöglicht eine Art Modelling; die Erkenntnisse zum Thema selbst helfen Weiterbildnern, sich gelegentlich wieder zu verdeutlichen, warum etwa Visualisierung durchaus ALLEN Lerntypen helfen kann… – HPR

Hanspeter Reiter