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Der Direktvertriebler

Autor Ilke Seyran
Verlag sonstige
Seiten 433 Seiten
ISBN 978-3-8258-1425-0
Preis 44,90

Als Dissertation vorgelegt, bietet die Autorin eine exzellente Grundlage für Führungskräfte und Weiterbildner im Direktvertrieb: „Berufsanforderungen und –bewältigungen bei selbständigen Handelsvertretern im Direktvertrieb – aus Sicht der Betroffenen.“ Sie hat Außendienstler (im Textilvertrieb an Privatleute) begleitet, sie interviewt, zur Vorbereitung der (offenen) Befragung zudem Expertengespräche geführt. Aus dem Korpus zitiert sie an passender Stelle und führt die Aussagen zu fokussierten Erkenntnissen zusammen.
Emotionsarbeit: Diskrepanz zwischen „Innenleben“ und (bewusster) Ausstrahlung dem Kunden gegenüber – wann ist es positiver Eustress als Verstärker, wann wird´s zum negativen Disstress („emotionale Dissonanzen“, S. 78ff.), bis hin zum Burnout? Hier gibt es enge Zusammenhänge hiermit:
Dichotomien zur Typbildung („Spannungsbögen“): Wer hat die besten Chancen, im Direktvertrieb erfolgreich zu werden und zu bleiben? (S. 89ff.)

  1. Empathie vs. Biss
  2. Stetigkeit vs. Flexibilität
  3. Normtreue vs. Abweichung
  4. Team vs. Einzelkämpfer
  5. Frustration vs. Euphorie
  6. Burnout vs. Bindung
  7. Selbstverwirklichung vs. Selbstverleugnung

Kleinigkeiten „am Rande“ lenken kaum vom höchst detailreichen und effektvollen Ergebnis der Studie ab: Der etwas schlampige Umbruch, der an mehreren Stellen zu klaffenden Weißteilen führt, weil Tabellen und Übersichten auf die Folgeseite rutschen, obwohl Platz genug wäre; Übersetzungsfehler aus dem Amerikanischen: Dortige „billions“ sind bei uns halt Milliarden (S. 56/57); „Der hohe Anteil an Frauen im Direktvertrieb“ wird (S. 71) in der Tortengrafik umgedreht zu 16% Frauen, 84% Männern. Das wird dem Leser jedoch offenkundig und ist so verschmerzbar. Höchst hilfreich dagegen die vielen Darstellungen in Tabellen oder Grafiken, die den Band durchziehen und das Verbale illustrieren, so greifbar machen. So etwa die Differenzierung von „verberuflichtem Arbeitnehmer“ und „Arbeitskraft-Unternehmer“ (S. 31f.) oder jene von Schneeballsystem vs. Network-Marketing (S. 52).

Klar wird dem Leser auch, dass nicht immer die stärksten Ausprägungen eines Merkmals den besten Erfolg garantieren, manchmal sind es eher die mittleren, siehe „Risikoneigung“. Zu beobachtende Merkmale sind Leistungsmotivation, internale Kontrollüberzeugung, Durchsetzungsbereitschaft, emotionale Stabilität, Problemlöseorientierung, Ungewissheitstoleranz, Teamorientierung, Einfühlungsvermögen und Kundenorientierung. Unterschiedlich relevant sind diese je nach Position, etwa als Verkaufs- oder Gebietsleiter, mglw. mit einer Art „Coach-Funktion“ für die Teammitglieder. Im Rahmen des Modells der Salutogenese (S. 130ff.) kommt der Begriff des Kohärenzgefühls ins Spiel, als „Sense of Coherence“ (SOC), „.. eine globale Orientierung, die ausdrückt, in welchem Ausmaß man ein durchdringendes, andauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, dass

  1. Die Stimuli, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und äußeren Umgebung ergeben, strukturiert, vorhersagbar und erklärbar sind;
  2. Einem die Ressourcen zur Verfügung stehen, um den Anforderungen, die diese Stimuli stellen, zu begegnen;
  3. Diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Anstrengungen und Engagement lohnen.“

Hier geht es also um innere Widerstandsfähigkeit, womit eine Verbindung zu Resilienz entsteht. Natürlich werden Kompetenzmodelle vorgestellt, erläutert und diskutiert, wie es einer wissenschaftlichen Arbeit gebührt: Auf diese Weise findet Leser eine breite Grundlage für die ausgeführten Empfehlungen, Persönlichkeitsmerkmale von Direktvertrieblern zu entwickeln und für die Praxis anwendbar zu beschreiben. – HPR

Hanspeter Reiter