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Der Steuerberater als Krisenmanager

Autor Scholz, Ines, Martin Klumpp, Steffi Köchy-GEllfahrt, Paul Liese, Daniel Terwersche
Verlag Schäffer-Poeschel
ISBN 978-3-7910-5037-9

Das Autorenteam, Praktiker in der Steuerberatung, haben eine Handreichung verfasst: eine „Navigationshilfe“, die jene Themenfelder abdeckt, die für eine zukunftsfähige Kanzlei relevant sind. Insofern bieten sie in den Kapiteln Anregungen bezüglich zweier Betrachtungspunkte: der eine bezieht sich auf das Operative und die Bedingungen der Möglichkeit, bestmöglichen Arbeitens auf der Fachebene; der andere nimmt die Metaposition ein und beleuchtet, welche Aspekte das Arbeiten an der Kanzlei, an der Organisation relevant sind und damit für Profil und Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt.

Beide Gesichtspunkte vereinen den Zielpunkt: den Mandanten optimal zu beraten und zu betreuen (Mandantenorientierung mit Fokus auf kompetente Beratung). Die Autoren geben durchaus mehr als eine „Denkanregung“, da sie neben einbettenden und erläuternden Ausführungen konkrete Modelle skizzieren und Fragebogen- und Methodentools anbieten, unterlegt mit Beispielen aus der Praxis sowie konkreten Angeboten des Vorgehens (Schritt-für-Schritt-Anleitungen). Zugang zu den Unterlagen findet der Interessierte auch online.

Bei alldem bedienen sie sich gegenwärtiger Managementliteratur, insbesondere aus dem Spektrum Veränderung, nachhaltig-erfolgreiches Organisieren, agiles oder flexibles Reagieren, ermutigende und befähigende Mitarbeiterführung im Bedeutungsfeld des Teams (Kanzlei als Team) sowie Implikationen und Installationsnotwendigkeiten im Rahmen der digitalen Möglichkeiten.

Die Lektüre lohnt sich grundsätzlich für jede Kanzleigröße; denn sie umreißt jene Handlungsfelder, die zu betrachten sind, wenn sich die Kanzleiführung Gedanken über die eigene Kanzlei und deren Perspektive macht.

Die Ausführungen helfen nicht nur operativ im Sinn konkreten Vorgehens, sondern – vorgängig – dabei, sich klar(er) darüber zu werden, welchen Weg die Kanzlei gehen, insbesondere welches Profil sie gewinnen oder schärfen soll, welche Konsequenzen die Wahl darauf hat, welche Kompetenzen die Kanzlei in welcher Changephase sowie strategisch und operativ benötigt, wie Kanzleiführung und Mitarbeiterstab die Kanzleiarbeit organisieren, welche Mandantengruppen angesprochen werden und wie die Kanzlei nach außen präsentiert werden soll (Arbeit an der Kanzlei, Wettbewerbsumfeld). Es geht also nicht nur um die USPs, sondern darum, worin diese USPs eingebettet sind.

Zugleich müssen Bezüge hergestellt, Ableitungen vom Wunschbild vorgenommen werden zum Alltag. Eine besondere Rolle spielen Fragen der Mitarbeiterrekrutierung und -förderung. Wenn ein Beiträger davon abrät, bei der Rekrutierung keine Kompromisse zu machen, dann ist das zwar empfehlens- und wünschenswert, bereits aus betriebsökonomischen und binnensozialen Gründen. Den Luxus können sich allerdings nicht alle Kanzleien leisten, weil sie von dem Kandidateninteresse, der Attraktivität von Standort und Kanzlei abhängig sind. Insofern ist es sinnvoller, die Eventualität des Kompromisses zu bedenken und sich im Vorfeld zu überlegen, aus welchen Gründen welche Kompromisse tragfähig wären.

Neben Personalfragen braucht es eine folgerichtig Ableitung von Wunschbild zum Handeln insbesondere auf diesen Feldern, stets enggeführt am konkreten und hochwahrscheinlichen Bedarf der Zielkanzlei: digitale Infrastruktur und damit verknüpfte Fragen von Zugängen, Weiterbildung, Mandantenorientierung in der Anwendung; ferner konkrete praktische Arbeitsbedingungen (infrastrukturell, strukturell, prozedural, sozial); personell-fachliche Ausstattung: welche Kompetenzen benötigt die Kanzlei und wer kann sie abdecken? – einschließlich begründeter Entwicklungsoptionen; fachliche Schwerpunkte und das Repertoire der Beratungsangebote und Ansprechkanäle für Mandanten – alles als Ableitung aus dem Zielbild und entlang der damit anstehenden Veränderungsschritte und -maßnahmen.

Das Spektrum ist breit. Die primäre Herausforderung liegt darin, sich als Kanzleiführung darüber Rechenschaft abzulegen, welche Zukunft oder welches Zielbild, welche Vision angestrebt wird. Die bekannte SWOT-Analyse (die erwähnt wird) kann dazu den Einstieg bilden und erste Orientierung geben. Das Ergebnis ermöglicht, die Angebote der Beiträge kritisch auf ihre Bedeutung und Brauchbarkeit hin zu rezipieren und folglich gezielt, geleitet durch die gewünschte Realität der eigenen Kanzlei, Tools auszuwählen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass Modelle und Tools offeriert werden, die sehr aufwendig sind.

Sollte eine Kanzlei besonderen Wert darauf legen, zeitgemäß zu agieren, kann sie sich im Zuge der Skizze des Zielbildes bzw. der Vision auch einen Purpose zulegen, der angibt, welchen „höheren Sinn und Zweck“ die Steuerkanzlei verfolgt, sowohl als „Krisenmanager“ für Unternehmen als auch in eigener Sache.

Regina Mahlmann