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Ich und Wir im digitalen Raum

Autor Sascha Oswald
Verlag UVK
ISBN 978-3-7398-3050-6

„Zur Kommunikationskultur, Vergemeinschaftung und Selbstformierung im Web 2.0 am Beispiel der bildbasierten sozialen Netzwerkseite Instagram“ bietet eine detaillierte Analyse in einem 600-Seiten-Konvolut … Fazit vorab: Hier findet auch (und gerade) Insta-Laie Klarheit darüber, ob und wie er/sie sich künftig mit diesem Sozialen Medium befassen sollte. Ergo auch (und erst recht) Weiterbildner jeglicher Couleur: Trainer, Coaches, Berater …

Alles Instagram!
Und zugleich exemplarisch für andere Soziale Medien, wenn auch naturgemäß ggf. nur ähnlich, ist Insta doch extrem Bild-zentriert (bzw. inzwischen verstärkt Bewegtbild-orientiert, siehe: Story). Der Fokus der Studie liegt auf der Interaktion, und um die geht es ja letztlich in den SoM, wenn auch mit unterschiedlicher Motivation von Präsentierenden wie auch Nutzern. Die hat der Autor heraus gearbeitet, durch Analyse von Profilen und Interviews mit Instagrammern, dieser zentralen Frage nachgehend. „Wie wirkt sich die Nutzung der bildbasierten sozialen Netzwerkseite Instagram auf die Nutzenden aus? Basierend auf empirischen Daten geht die Studie von Sascha Oswald davon aus, dass das Verhältnis zwischen Plattform und Nutzenden keine Einbahnstraße ist: Instagram als ‚digitales Ökosystem‘ setzt bestimmte Nutzungsrahmen.“ Und zwar durchaus auf beiden Seiten des Geschehens, also Profilierten (= Instagrammern) wie auch bei den Nutzern:

Angebot und Nachfrage
… sind also unterschiedlich geregelt, auch und gerade was die Interaktion angeht! „Wie und wie sehr die Plattformarchitektur die Nutzenden beeinflusst, hängt jedoch von deren Aneignungsweisen ab. Je stärker Instagram in den Alltag integriert wird und je mehr Bedeutung das soziale Netzwerk für das Selbst gewinnt, desto spezifischer sind die Effekte der Plattform. Likes begünstigen dabei u.a. die Ausbildung einer Instagram-typischen Subjektform, die Bildkommunikation wiederum spezifische Gemeinschaftsformen und Affektkulturen. Die Studie leistet einen Beitrag zum Verständnis der Dynamiken sozialer Netzwerke und von Mensch-Technik-Interaktion.“ Selbst-Darstellung ist immer gefragt (also: gesagt  …), doch gibt es durchaus unterschiedliche Typen – und das verbunden mit Varianten im Umgehen mit dem Medium, der Plattform. Da geht es etwa (S. 54 etc.) um Affekt-Intensivierung, Ludifizierung und Selbst-Thematisierung – immer jedoch um Bezugsräume des Selbst (S. 88f.).

Fremd- und Selbstbild
Präsentation dieses Selbst sollte als Gattungs-Analyse im kommunikativen Haushalt verortet werden (S. 145) – und dazu gehört naturgemäß auch der Text, auf Insta meist parataktisch aufgebaut (Reihung kurzer Halbsätze): „Schachtelsätze, komplizierte Satzstrukturen und sonstige syntaktische Schnörkel finden sich äußerst selten“, im Grunde erwartungsgemäß (S. 170 und drumherum). „Dennoch“ gibt es erklärende und illustrierende Abbildungen en masse, was die Analyse fein nachvollziehbar(er) macht! Eben auch die Nutzungs-Schemata: Bestätigungssuche, Erfolgsorientierung und Beziehungspflege sind identifiziert, die dann verknüpft sind mit Schlüssel-Kategorien, siehe die Übersichts-Tabellen S. 369ff.: Resonanz, Arbeit am Selbst, Nutzungs-Interesse, Sinnwelt, Interaktions-Regeln. Schließlich kombiniert der Autor in seiner Analyse Nutzungs-Typus und Merkmale: rational-unternehmerisch, ästhetisch-rational, emotional-ästhetisch, gesellig-pragmatisch, pragmatisch-privat – plus die jeweilige Ausprägung in Selbsterfahrung/Sozialität/Erlebnisform – Erfahrungsraum und Zeitlichkeit – Publikum/Evaluation/Schicksalshaftigkeit (Tabelle S. 443ff.). Die entstehende „synthetische Geselligkeit (u.s. S. 509 etc.) spiegelt sich auf Instagram im Modus der „phatischen Kommunikation“: unverbindlich, bezieht alle ein, dient dem Knüpfen sozialer Bande (statt dem Informations-Austausch, S. 510f.). Mit Abb. 47 liefert Sascha Oswald eine grafische Darstellung „Konstitution der Sehgemeinschaft auf Instagram“, die fein zusammenfasst – und zu Formen des Visualisierens und der Reaktion darauf hinleitet: Bildsprache, Filter (Bildbearbeitung), Follower, Kommentare, Emojis, einheitliches/ minimalistisches Profil-Design, öffentliche und hybride Vernetzungs-Struktur (S. 510ff.). Das Ludische (durchaus auch im Sinne des Verspielten!) hebt der Autor im finalen Kapitel nochamsl hervor, im Rahmen von sinnlich-affektivem Erleben und Emotionalisieren der Kommunikation (S. 561f.). Voila, ein Prachtwerk, dem Thema angemessen! HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter