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Künstliche Intelligenz und Empathie

Autor Catrin Misselhorn
Verlag Reclam
ISBN 978-3-150-14047-5

„Vom Leben mit Emotionserkennung, Sexrobotern & Co.“ untertitelt das Bändchen: Die Autorin, Fachfrau für Maschinenethik, greift in dem schmalen Band (Reihe: Was bedeutet das alles?) ein aktuelles und brisantes, weil die Grundlagen gesellschaftlichen Zusammenlebens betreffendes Thema auf: Künstliche und Emotionale Intelligenz, KI und EI oder Affective Computing (AI) und damit insbesondere vermeintlich empathische Roboter. Sie bietet einen knappen, summarischen Ein- und Überblick mit Begriffsskizzen: Verständnisweisen, Funktionsbedingungen, Programmierungsaspekten von Robotern mit harter Materie und solchen mit weicher Materie bis zu Sexrobotern mit Scheinhaut, Sensoren und einem Repertoire empathischer Dialogfähigkeit.

Empathie?!
Zudem beschreibt sie das Spektrum an Leistbarkeit von Empathie anhand eines von ihr definierten Empathiebegriffs als Basis für die Einschätzung, ob und – scheinbar -inwiefern Maschinen empathiefähig sein können sowie für die Gegenüberstellung menschlicher und maschineller Empathie, einschließlich bereits bediente Anwendungsfelder, etwa in der Pflege, bei Autismus, in der Psychotherapie – stets mit Hinweisen auf technische Leistung, die an menschlichen Bedürfnissen gemessen wird. Im Zentrum der Diskussion und Beurteilung steht nicht das Als-ob empathischen Empfindens, also Verhalten, sondern das wirkliche Empfinden von Empathie und daraus resultierender Reaktionen und Initiativen seitens der Maschinen. Letztere spricht Catrin Misselhorn Robotern grundsätzlich ab, was nicht zuletzt ein Ausfluss ihrer Definition bzw. der Festlegung ist, dass ein empathisches Verhalten nicht ausreiche, um Robotern Empathiefähigkeit zuzusprechen. (Was die Autorin nicht davon abhält, ethische Rechte auch Maschinen zuzusprechen, etwa bezüglich der Frage, ob es erlaubt sein soll, Robotern Schmerz zuzufügen oder sie gar zu vergewaltigen. Dabei weitet sie die Betrachtung aus auf psychologische Wirkungen, unter der Annahme, das menschliches Verhalten Robotern gegenüber auf Menschen übertragen wird.)

Wirklich Empathie?
Es finden sich durchaus debattierwürdige Annahmen und Schlussfolgerungen in dem Buch. Dies betrifft grundlegend den Empathiebegriff, insbesondere die These von der ermöglichenden Funktion moralischen Empfindens und Verhaltens durch Empathie, auch wenn sie konzediert, dass diese Annahme als notwendige Bedingung zumindest für die Ausbildung moralischen Verhaltens nicht zwingend ist. Ihre Zuschreibung fungiert als Schlüssel ihrer Argumentationen und Konklusionen, gewinnt an Gewicht, weil sie jene Schlussfolgerung vorbereitet, die in den Kapiteln 6 und 7 („Arme Alexa! – Empathie mit Robotern und virtuellen Agenten“ sowie „Freundschaft, Liebe und Sex mit Robotern“) dargestellt werden und in denen Catrin Misselhorn sowohl sozialkritisch, feministisch unterfüttert, als auch moral- und sozialphilosophisch argumentiert, vor allem gegen einen verbreiteten Einsatz von Sexrobotern speziell und KI-Robotern generell, soweit sie in allen Lebensbereichen eingesetzt werden. Denn: Ihre Sorge gilt der Gefahr einer durchgängigen Verdinglichung von sich selbst und anderen Menschen, die das Fundament eines sozialliberalen Zusammenlebens zerstöre, ein Leben in einer Demokratie, in der Menschen sich nicht nach Maschinen (Algorithmen) richten, sondern diese nach den Menschen. Diese Überlegung erhält Nahrung insbesondere durch die Ausführungen der inzwischen vielfach belegten Tatsache, dass sich Menschen sehr leicht dazu verführen lassen, mit Maschinen Mitleid zu haben, ihnen immerwährende Geduld zuzusprechen, auch Einfühlsamkeit und Anteilnahme bis hin zu dem Eingeständnis, Maschinen vorzuziehen. Ein sehr lesenswerter Band, der sowohl informiert als auch nachdenklich macht und für jene, die sich in die Materie vertiefen möchten, Literaturhinweise anbietet. drmahlmann@aol.de www.dr-mahlmann.de www.gabal.de

Regina Mahlmann