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Einführung in die Systemtheorie des Konflikts

Autor Fritz B. Simon
Verlag sonstige
Seiten 126 Seiten
ISBN 978-3896707468
Preis 12,95

Als „Einführung“ geht das Büchlein schwerlich durch, auch wenn Fritz B. Simon, ein versierter Kenner systemtheoretischen Denkens und systemischen Behandelns, seine Erörterungen mit Beispielen verbindet, die vermutlich jedem Leser bekannt oder gar vertraut sind. Bereits die Definition des Konflikts als Negation von Negation dürfte bei „Einsteigern“ ein ratloses Kopfschütteln und ein großes Fragezeichen hervorrufen.

Und ob die vollständige Definition dies mildern könnte? Sie lautet: „Als Konflikt soll ein Kommunikationsprozess (= sozialer Prozess) oder Denk- und Fühlprozess (= psychischer Prozess) definiert werden, bei dem eine Position (z.B. ein Wunsch, eine Handlungsanweisung, -option oder –wirkung, eine Sichtweise, eine Bewertung etc.) verneint wird und diese Negation ihrerseits verneint wird.“ (11). Es werde ein Sinnsystem etabliert, in dem die Positionen, die sich gegenseitig verneinen – dieser Prozess fortgesetzter Negation der Negation wird solange bestehen, wie keine Entscheidung getroffen wird (11). Eine Entscheidung stoppt diese Oszillation, bricht das Sinnsystem Konflikt auf und ermöglicht die Beendigung des Konflikts. Diese Entscheidung, so weiter, kann, muss aber keine bewusst getroffene sein. Sie kennzeichnet vielmehr das, was George Spencer Brown einen Unterschied machen nennt: Sobald einer der Kontrahenten nicht mehr mitspielt, sei es aus mangelndem Interesse, sei es, weil er den Konflikt vergisst oder der Konflikt so langweilig wird, dass keiner mehr sich in ihm engagiert – sobald so etwas geschieht, kommt dies der Wirkung einer Entscheidung gleich – in diesem Fall: der Konflikt ist beendet.

Die Kenntnis einiger grundlegender systemischer Denkfiguren erleichtert das Verständnis der Ausführungen und ermöglicht, Gedanken und Analysen, die der Autor ausführt, mindestens in einem inneren Dialog zu diskutieren. Auch die Konzentration des Autors auf ein systemtheoretisches Grundverständnis, das dem Soziologen Niklas Luhmann verpflichtet ist, sowie die Erweiterungen mit Bezug auf Gregory Bateson werden vermutlich erst dann nachvollziehbar, wenn man von beiden das eine oder andere gelesen, mindestens über sie gelesen hat. So vorgebildet, wird auch die konflikttheoretische Fokussierung auf bzw. Verbindung systemtheoretischer Überlegungen zur Psychoanalyse Sigmund Freuds versteh- und diskutierbar. Explizit wird auch der österreichische Konfliktforscher Friedrich Glasl erwähnt – ein Autor, den man, wenn man seine Werke liest, nicht spontan mit systemtheoretischen Gedankenfiguren verbindet. Friedrich Glasl deckt die Spannbreite von anthroposophisch verankerter bis hin zu analytischer Konfliktbehandlung ab. Seine Anregungen und Analysen, seine diagnostischen wie therapeutischen Vorschläge lassen sich aufgrund ihrer vernetzten Struktur indes leicht mit systemtheoretischen Kernideen verknüpfen.

Insofern ist dieses Büchlein vermutlich weniger ergiebig für Personen, die erst beginnen, sich mit dem Thema „Konflikt“ zu beschäftigen, sondern eher inspirativ, informativ und einladend für jene, die sowohl eine prägnante Darstellung schätzen, deren kategoriale und logische Differenzierungen sie an Gewusstes erinnern und mit Freude auf den einen oder anderen ungewöhnlichen und unüblichen Gedanken geschubst werden – etwa, wenn der Autor darauf hinweist, dass als Ziel anvisierte Konfliktlösungen durchaus darin bestehen können, etwas zu unterlassen (117); F. B. Simon bezeichnet dies als „negative Zieldefinition“. Oder auch, wenn – ganz im Gegensatz zu auseinandersetzungsfreudigen und wahrheitssuchenden Konfliktparteien – der Autor eine Vermeidung als Lösung gelten lässt, zuweilen sogar anzustreben empfiehlt. („Echte“ Konfliktagenten höre ich rufen: „Aber dann ist doch nur die Oberfläche bedient – der Konflikt besteht doch noch immer!“ Nun, würde Fritz B. Simon sinngemäß antworten, es geht darum, die Negation der Negation aufzuheben – und wenn eine Negation dadurch aufgehoben wird, dass sie umgangen, nicht thematisiert, nicht ins Feld geführt wird – tja, dann fehlt schlicht der Kontrahent.)

Das Büchlein zu lesen, sei unbedingt jenen nahe gelegt, die sich mit Konfliktthemen in kompetenter Weise befassen! Nehmen Sie es als Einstieg oder Einladung, um sich in systemtheoretisches Konfliktverständnis und –behandlung kundig zu machen.

Dr. Regina Mahlmann
www.dr-mahlmann.de
drmahlmann@aol.com
 

Dr. Regina Mahlmann