Die Möwe.
Autor | Sándor Márai |
Verlag | sonstige |
ISBN | 978-3-492-25899-9 |
Preis | 8,95 |
Interessant, welche Koinzidenzen bei mancher Lektüre geschehen: Auf S. 65 dieses schmalen Bandes wird Pepys´ Tagebuch erwähnt, als Lektüre eines der Protagonisten. Parallel dazu entdecke ich in der Tageszeitung, dass nunmehr erstmals eine deutsche Übersetzung dieses Monumentalwerks aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erscheint… Doch spielt der Roman zu anderen Zeiten, denen des 2. Weltkriegs nämlich, in Ungarn. Es geht um Obsessionen und andere Zwänge, wenn die Hauptfigur etwa eine Verflossene in einer Bittstellerin wieder zu erkennen glaubt, die dringend Papiere benötigt, um einen anderen Job zu bekommen (so würden wir das heute nennen :-) …). Eine Finnin im Übrigen – das ist insofern interessant, als Ungarisch und Finnisch eng verwandte Sprachen sind, worauf der Autor auch expressis verbis hinweist, um so Verbindungen zum Nordischen (geografisch) herzustellen (S. 77ff.):
„Und dennoch ist dieses nordische Mädchen irgendwie verwandt, in der Haltung von Bereitschaft und Warten. Verwandt, nicht nur auf finnougrischer Basis, und nicht nur, weil sie Einzige Welle heißt [Aino Lainen, der Name der Finnin] und von irgendwie aus der Kalevala [finnisches Nationalepos] gekommen ist.“ Und weiter z.B. S. 144f.: „Denn diese unsere Verwandtschaft ist eine etwas unklare Geschichte, Einzige Welle. Versteh mich nicht falsch, ich erwähne nur, dass all das etwas nebulös ist, trotz der bekannten und verwandten Wörter, die unsere Wissenschaftler an den Universitäten analysieren, in Helsinki wie in Budapest…“
Das ist Weltliteratur, zählt der ungarische Autor doch zu den Größen unter den Zeitgenossen des 20. Jahrhunderts. Das zeigt sich u.a. in der Abschluss-Sequenz, nachdem die beiden Menschen nach wenigen Stunden Beisammenseins wieder getrennte Wege gehen, so scheint es jedenfalls: „Er schließt das Fenster. Ohne Orientierung steht er im Zimmer, er hat das Gefühl, noch nie so allein gewesen zu sein. Aber zugleich spürt er, dass eine Hand, die den Flug der Möwen und die Schritte der Menschen lenkt, auf seiner Schulter ruht. Er geht durch das Zimmer wie ein Blinder – und doch so, als führte ihn jemand.“ (S. 187)
Wer dadurch „auf den Geschmack“ gekommen ist, kann allein bei Piper unter anderthalb Dutzend weiterer Márai-Veröffentlichungen wählen… www.piper.de.