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Wie wir denken, wie wir fühlen

Autor Antonio Damasio
Verlag Hanser
ISBN 978-3-446-27094-7

„Am Anfang war nicht das Wort“ (S. 23); denn Lebendiges konnte ohne Gefühle, Gedanken, ohne Geist oder Bewusstsein und dennoch in intelligenter (adaptiver) Weise überleben und sich fortpflanzen. Von diesen milliardenalten Anfängen her leitet Antonio Damasio (wie bereits in vorgängigen Veröffentlichungen) die biologische Grundverfasstheit von Gefühlen und Geist her. Sie hätten eine „Hybridstellung“, weil sie sowohl im Körper als auch im Gehirn angesiedelt seien (S.17).
Bereits dieser Satz exemplifiziert, woran es den auf Kerngedanken reduzierten Ausführungen, die sich an ein breites Publikum richten und daher Vereinfachungen und offenbar Verkürzungen von Argumenten etc. nötig machen, mangelt: an gedanklicher und sprachlicher Präzision (denn Gehirn ist Teil des Körpers), häufig einhergehend mit dem Mangel an sachlicher Begründung von Thesen und der Auseinandersetzung mit gegenläufigen Positionen.
Das liegt nicht an der fachlichen Kompetenz des Autors. Antonio Damasio ist eine international bekannte Autorität unter Neurowissenschaftlern und dank seiner populärwissenschaftlichen Sachbücher auch einem interessierten Laienpublikum bekannt. Der bewusst schmal angelegte Band, bestehend aus kurzen Artikeln zu einzelnen Gesichtspunkten seiner Herleitung von Bewusstsein aus den Anfängen der Einzeller, liest sich flüssig und geschmeidig und vermittelt einen Eindruck von dem Spektrum an Fragen und möglichen Antworten auf der Suche nach den Ursprüngen menschlichen Bewusstseins. Dass er sich dabei etwas überhebt, zeigt die waghalsige Behauptung, die Frage danach, wie das Gehirn mentale Erlebnisse, „die wir mit unserem Dasein…in Verbindung bringen“, seien „verblüffend leicht zu durchschauen“ (S. 17).
Das Buch kann zudem als eine Zusammenfassung jener Themen (Forschungsfragen und -antworten) gelesen werden, die den Neurowissenschaftler in seinen bisherigen Publikationen beschäftigten: das Verhältnis von Leib, Geist, Seele bzw. Spüren, Fühlen, Denken bis zur Ausbildung von Kognition und Bewusstsein seiner selbst in Wechselwirkung mit Umwelten, begriffen als Anpassungsleistungen im Interesse des Überlebens.
Die Ausführungen spannen den Bogen von den Einzellern bis zum Menschen, die u.a. vereint, intern einen homöostatischen Zustand zu erreichen im Rahmen des Überlebens als Ziel. Die Unterscheidung von Fühlen, Spüren, Wissen eines Seins (Lebewesens) mit und ohne Nervensystem, mit und ohne Bewusstsein stecken die Stichworte auf dem Weg zur vermeintlichen Erklärung der Ursprünge des Bewusstseins ab.
Im Verlauf der Kapitel: „Geist und die neue Art der Repräsentation“, „Gefühle“, „Bewusstsein und Wissen“ zeigt Antonio Damasio in groben Zügen, wie sich Gefühlsarten unterscheiden („grundlegende“, „homöostatische“, inklusiv soziokultureller Prägung) und inwiefern Gefühle – wie Bewusstsein – sowohl nicht mental als auch mental veranlasst sind. Ähnlich leitet er Bewusstseinskapazität evolutionär her, skizziert, wann Geist, der sich in Bildern, Mustern, Karten organisiere, Bewusstsein braucht und wie es sich neuronal vorbereitet (mentale Karten, kognitive Repräsentationen, Kartierung von Mustern, Herstellen von Metamustern/-karten: Bilder von Bildern, Muster von Muster, also Induktion, Deduktion, Organisation, Abstraktion). Körperliches und Geistiges bzw. Bewusstsein, biologische und kulturelle Prozesse gehören zusammen, menschliches Selbstbewusstsein braucht neben biologisch-evolutionär herleitbaren Voraussetzungen die soziokulturelle Entwicklung – alles mit dem Ziel der Homöostase als Überleben und Fortpflanzung.
Der schmale Band mit seinen auf die wesentlichen Erkenntnisse, Auffassungen, Deutungen eignet sich trotz der genannten Mängel durchaus als Einstieg in die komplizierte und bis heute durchaus ungelöste Frage danach, wie Biologisches Geistiges/ Bewusstsein hat hervorbringen können. Im Anschluss an die Lektüre wird der Leser informierter und daher gezielter nach Ausführungen anderer Autoren aus Neurowissenschaften und Philosophie greifen können, um andere und konträre Auffassungen kennen zu lernen.
Dr. Regina Mahlmann www.dr-mahlmann.de www.gabal.de

Regina Mahlmann