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Witz

Autor Joshua Cohen
Verlag Schöffling
ISBN 978-3-89561-629-7

„Fünf Jahre hat der in Basel lebende Ausnahme-Übersetzer Ulrich Blumenbach für seine Übersetzung gebraucht“ erläutert ein Begleitheft, die besonderen textlichen Herausforderungen fokussierend. Noch dazu auf und in mehr als 900 Seiten (der deutschen Ausgabe) …

Vieldeutig
…in Wortspiel und Geschehen, so kommt dieser Roman daher: Ist´s schlicht eine (wenn auch höchst eindrückliche) Familiengeschichte, ein satirisch verbrämte Erzählung eines „etwas anderen Holocaust“, neu lokalisiert als veritabel utopische Dystopie – oder doch viel mehr, nämlich ein notwendig gewordener Blick auf jene des Judentums insgesamt? Nun, „Witz – das heißt nicht nur Scherz, sondern auch Sohn. Benjamin ist der einzige Sohn und das dreizehnte Kind von Hausfrau Hanna und Rechtsanwalt Israel Israelien, die von Überlebenden der Shoa abstammen. Er kommt am letzten Weihnachten des letzten Jahrtausends vollständig ausgewachsen und mit Bart und Brille in New Jersey auf die Welt, als eine mysteriöse Seuche die gesamte jüdische Bevölkerung der USA dahinrafft. Benjamin überlebt als Einziger und wird zunächst zur Kultfigur, als das aufs Neue ausgerottete Judentum auf einmal schick wird.“ Und revitalisiert werden soll, bis hin zur geplanten Verheiratung mit der Tochter des Präsidenten… Es zeigt sich: eher Mode als Kult.

Projüdisch?
Letztlich nur vorgeschoben, das muss er erleben, als Spielball der durchaus vordergründig agierenden Mächte, vielmehr: Machtpersonen und Macher-Figuren! „Doch in diesem Roman der Umkehrungen und Rollenspiele, in dem nun die Nichtjuden verfolgt werden, wird auch Benjamin wieder zum Ausgestoßenen und Gejagten und wiederholt das Leben in der Diaspora. Gegen die Verkitschung des Holocaust zieht Joshua Cohen, der vielbeachtete Autor von Buch der Zahlen, alle Register der Komik und Parodie, mischt Biblisches mit Stand­up-­Comedy, Hochkultur mit Trash, Familiengeschichte mit Slap­stick. So gelingt ihm ein fulminantes Opus magnum: mit Witz.“ Genre-verachtend quasi, damit besonders abwechslungsreich. Fordernd, nachdenklich machend – und sicherlich Tage füllend, als Lektüre! Ganz ehrlich, ich bin noch mittendrin, während ich diese Rezension (schon mal) verfasse: Ist halt was anderes als schlichte Krimi-Lektüre – braucht Pausen zwischendurch, Abstand und neuen Zugriff… Umso feiner, oder?! „Jüdische Kulturgeschichte im sprachlichen Dreieck gesprungen“ oder auch „Ein Trümmergrammatiker, der seine Prosa zu ungeheurer Schönheit steigert“ sind affirmierende Zwischen-Headlines des interpretierenden wie präsentierenden Dossiers, das Intreressierte hier schon mal vor-lesen können: https://www.schoeffling.de/res/pdf/prospekte/Dossier_Cohen_Witz_Web.pdf
N.B.: Der Übersetzer hat 2022 den Paul-Celan-Preis für die Übersetzung eben dieses heraus fordernden Werks erhalten. HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter