Die Wissenschaft von Mittelerde
Autor | Roland Lehoucq, Loïc Mangin, Jean-Sébastien Steyer (Hrsg.) |
Verlag | wbg Theiss |
ISBN | 978-380-624514-1 |
35 Autoren plus drei Herausgeber (Astrophysiker, Mitherausgeber einer Zeitschrift, Paläontologe) – dieser beachtlichen Anzahl an Beiträgern steht ein ähnlich beachtliches Spektrum fachlicher Expertise zur Seite.
Man fühlt sich bei der Lektüre der knappen Anmerkungen zu den beruflichen Stationen, Positionen, Funktionen und Tätigkeitsfeldern der Autoren gleichsam erinnert an die fantastische Vielfalt der Lebewesen (organisch wie anorganisch) und Weltmodi, die der bewunderte Schöpfer, J.R.R. Tolkien, in aufeinander bezogenen Reichen mit eigenen Milieus, Sprache (inkl. Grammatik, Phonetik – Tolkien war schließlich Philologe), Lebensweisen, Daseinsmodi, mit je spezifischer Geographie und Geologie, mit regional verschiedenen Klimazonen und Weisen der Verbundenheit mit Naturphänomenen (die zuweilen sich als sprechende, handelnde Lebewesen entpuppen).
Entsprechend der selbst gestellten Aufgabe „Die Wissenschaft von Mittelerde“ näher zu erkunden, fragen sich Astrophysiker, Paläontologen, Archäologen, Evolutionsbiologen, Geologen, Geoarchäologen, Sprachexperten und Verhaltenswissenschaftler, Fachleute für Höhlenkunde, Werkstoffchemie, für Ethnologie und Kulturfragen des Zusammenlebens, Experten für Kognitionswissenschaft, für Psychologie und Psychopathologe, für Sozialwissenschaften, Literatur, ebenso für Ökologie, Werkstoffwissenschaften, weiterhin Künstler, Kulturschaffende (Projekte, Aufführungen, Museen…) – all diese Personen aus unterschiedlichen Natur- und Geisteswissenschaftlichen Disziplinen nehmen sich ein Feld, einen Ausschnitt aus Tolkiens Werk vor und untersuchen es.
Sie untersuchen Tolkiens Universum (Schwerpunkt „Herr der Ringe“), ernsthaft und gleichzeitig mit einem Augenzwinkern, auf Wechselwirkung mit Wissenschaft, auf die Frage hin, inwiefern Tolkien wissenschaftliche Erkenntnisse seiner Zeit berücksichtigt, welche Auffassungen ihn davon abhielten und welche nicht, um nur einige Aspekte der grundsätzlichen Untersuchungsfrage zu benennen. Bezugsgrößen sind beispielsweise Sprache, Mythen, Zauberei, Magie, Wesensformen – und ihre Beziehung zu Landschaften, Verfasstheit von Gruppen, Betrachtungen von Charakteren (z.B. warum fühlte sich Tolkien den Hobbits besonders verbunden?) und dem „Bestiarium“.
Man stelle sich bitte keine wissenschaftliche Abhandlung vor! Jeder der mehr oder weniger umfangreichen Beiträge, ist beides: wissenschaftliche Analyse und Erzählung, und jene, die die Hauptwerke Tolkiens kennen, freuen sich über ungewöhnliche Betrachtungen, deren Rahmen sie kennen; und jene, die mit Tolkiens Werk weniger vertraut sind, können sich einen Einblick in das Werk erlesen und dabei erfahren, dass der Schöpfer dieser Welten mehr vollbracht hat als „nur“ Fantasy.
Warum ausgeprägter Respekt und Bewunderung wohlplatziert sind, ergibt sich aus der überwiegenden Mehrzahl der Artikel, zumal der Leser nicht nur Zitate, Wiedergaben aus Tolkiens Fantasy-Welt, sondern auch aus Briefen, Dialogen, Debatten und weiteren Einsichten in Vorlieben und Abneigungen des Schöpfers imaginärer Welten vorfindet.
Den acht Kapiteln folgen Anhang, Register und nähere Angaben zu den Beiträgern, denen es – so lesen sich die Ausführungen jedenfalls – beim Nachdenken, Recherchieren, Verfassen selber viel Freude hatten. Auch dies überträgt sich auf den Leser.