Brandwashed
Autor | Martin Lindstrom |
Verlag | Campus |
ISBN | 978-3-593-39619-4 |
„Was du kaufst, bestimmen die anderen“ … Etwas marktschreierisch kommt U4 daher: „Vom Täuschen, Tricksen und Verführen“. Und so ist´s durchaus auch gemeint, teils augenzwinkernd selbstkritisch, ist der Autor doch eben in genau jenen Missionen unterwegs, die er hier durchleuchtet. Übrigens quasi als Fortsetzung zu Buyology, von mir ebenfalls rezensiert. Gelesen habe ich diese Neuerscheinung auf der Zugfahrt zu meinem Workshop „Neuromarketing“, passte natürlich exzellent: Wird jenes Vorgehen, sich besser in den Verbraucher (immer als Durchschnitts-Konstrukt) hinein versetzen zu können, doch häufig als manipulativ verschrieen. Doch gilt hier wie immer bei Marketing, Werbung (und, nebenbei, auch Weiterbildung, siehe: NLP …): das Ziel macht´s – und das Umgehen mit den Zielpersonen! Eines der Themen von Lindstrom ist so denn auch der Einsatz von Düften und wie sehr uns ein spezieller Duft sofort Erinnerungen wieder bringt (was mich an Marcel Proust´s „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ erinnert und an den Duft der Madeleine – was den Protagonisten in seine Jugend bei Teegesellschaften seiner Tante versetzt, bei denen es auch dieses Gebäck gab …). Neben dem Olfaktorischen ist es zum Beispiel auch das Auditive – es gibt ja ein regelrechtes Geräusche-Marketing, etwa bei Kfz-Herstellern: Das satte Geräusch beim sanften Zufallen der Autotür in Luxus-Limousinen oder überhaupt das Fahrgeräusch, das künstlich in die extrem schallgeschützten Innenräume überführt wird (siehe u.a. S. 97ff.). Und wie ist das mit der Wirkung von Verkaufsstatistiken? Sie dienen uns Verbrauchern als Entscheidungshilfe in der Informationsflut (etwa die Bestseller-Listen im SPIEGEL – S. 160ff.). Was sehr schön „zwei Seiten einer Medaille“ zeigt: Natürlich kann ich den Versuch von Herstellern und Handel als manipulativ ansehen, Verbraucher in ihren Wegen (Supermarkt!) und in ihrer Auswahl zu führen. Doch kann dies ja auch heißen, Scout zu sein und Verbrauchern zu helfen, Kompliziertes wieder zu „vereinfachen“ – die sprichwörtliche Qual der Wahl zu umschiffen … Schön die Erläuterung (auf S. 238ff.), wie etwa Madonna sich immer wieder neu erfindet: Offenbar nutzt sie die Collagen-Technik, wie sie z.B. auch fürs Erstellen von SINUS®-Lebenswelten (Milieus) angewandt wird – und häufig in Kreativ- und Zukunfts-Workshops von uns Weiterbildnern J … Aufs Assoziative in Entscheidungsvorgängen (via der vorsortierenden Emotions-Instanz limbisches System) verweist der Autor anhand des Regenwald-Beispiels (bei uns in D via Krombacher-Aktionen bestens bekannt – s. 253ff.). Die besondere Wirkung von Musik (Genre, Lautstärke, Geschwindigkeit …) in unterschiedlichen (Kauf-)Kontexten finden Sie auf S. 300ff. fokussiert: „Die spielen mein Lied!“. „Diese Methode wurde für so effektiv befunden, dass manche japanische Supermärkte ihre Ladenlokale sogar in unterschiedliche Zonen unterteilt, in denen die Kunden jeweils mit den Klängen beschallt werden, die sie dazu bringen, pro Minute das meiste Geld auszugeben. In der Obst- und Gemüseabteilung etwa hört man aus den Lautsprechern Wasser plätschern …“, was übrigens mit dem Thema „Frische“ zu tun hat1 „Muzak bietet Einzelhändlern noch einen subtileren Service an, die so genannten „Atmospherics“ nämlich …“ Neugierig? Dann lesen Sie mal rein J Ist doch gerade dieses Thema für Weiterbildner ein hilfreiches, durchaus diesseits von Suggestopädie … Natürlich geht es auch ums Datensammeln (Datamining), das dem Werber Lindstrom offenbar tatsächlich ein Dorn im Auge ist – und in Zeiten von Facebook „gefällt mir“, Cookies [&] Co. ja tatsächlich eine besondere Dynamik entwickelt. – Das Buch lebt von der Fülle der Praxis-Beispiele – und ist für den Leser auch dadurch besonders glaubhaft, als der Autor eben aus eigener Erfahrung auf der anderen Seite schöpft. Also durchaus selbstkritisch hinterfragt, was „Marketing“ so alles bewegt – und dennoch dazu steht. Aktuell gab es zu dieser Thematik übrigens auch einen Artikel in ZEIT Wissen (2/2012).