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Parallelgeschichten

Autor Peter Nadas
Verlag Rowohlt
ISBN 978-3-498-04695-8

Ist das jetzt das „opus magnum“ des Autors – oder schon „opus major“ oder gar „opus maximus“? Immerhin hat er jahrzehntelang daran geschrieben, wie zu lesen war – hat es immer wieder beiseite gelegt und neu zur Hand genommen. So ist es etwas entstanden, was an mancher Stelle (hmm, an vielen Stellen …) für den einen oder anderen Leser mühsam durchzulesen ist, der vielleicht bewusst langatmigen Beschreibungen vor allem sexuellen Gehabes geschuldet. Menschliches und Allzumenschliches macht das Romanhafte dieses 1.700-Seiten-Opus aus, das zugleich das 20. Jahrhundert als solches aufarbeitet, mit starken Fokussierungen auf Zweiten Weltkrieg, Eiserner Vorhang und schließlich Öffnung. Erzählt wird letztlich die Geschichte einer Budapester Familie, mit vielerlei Nebensträngen – eben: Parallelgeschichten. Parallel zeitlich wie örtlich, überraschend stark immer wieder ineinander greifend, verschiedene Blickwinkel der unterschiedlichen Protagonisten beschreibend und so tatsächlich so etwas wie „ein grandioses Panorama europäischer Historie im 20. Jahrhundert“ bildend, in drei Büchern, von „In stummen Gefilden“ über „In den Tiefen der Nacht“ hin zu „Der Atem der Freiheit“. Eine Herausforderung auch durch diesen Epos-ähnlichen Umfang, den ich beim Schreiben dieser Rezension tatsächlich erst zur Hälfte geschafft habe – fast jedenfalls. Doch meine ich, es verdient, nun endlich zeitnah zum Erscheinen (in deutsch) rezensiert zu werden, während ich sicher noch eine Weile brauche, es parallel zu vielerlei anderer Lektüre nach und nach zu lesen. Denn Detailbeschreibung heißt eben, hier ist ein wortgewaltiger Literat am Werk, der Sprache abwechslungsreich einzusetzen vermag – und seine Parallelgeschichten kunstvoll verwoben als EIN Geschehen entwickelt: „Wie eine Schwerkranke signalisierte sie, dass sie über eine solche Torheit gerne gelacht hätte, nur mit dem Mund, den starken Augenbrauen, der sich vertiefenden, kleinen senkrechten Kerbe an der kindlich glatten Stirn. Aber Ágosts Aussage hatte sie aufgewühlt, tief erschüttert. Sie eröffnete eine unbekannte Perspektive. Zum ersten Mal im Leben musste sie tief in ihre Körperlichkeit hineinblicken. Nicht vorher, nicht nachher, sonder währenddessen. So etwas hatte noch kein Mann mit ihr gemacht.“ (S. 379) Dieses willkürliche Zitat mag genügen! Denn genug „geschwätzt“, ich werde mich wieder eben dieser Lektüre widmen … – HPR

Hanspeter Reiter