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Im Rausch der Freiheit

Autor Edward Rutherfurd
Verlag Blessing
ISBN 978 3 98667 439 5

Der deutsche Titel des 2009 im Original unter dem Titel „New York“ erschienenen historischen Romans ist irreführend. Es geht nicht um einen Rausch. Bestenfalls kann man sagen, dass die Thematik der Freiheit mit Bezug auf die Auswanderer in die heutigen USA Freiheit gestalten, und hier spielen Gründung, Entwicklung und Bedeutung von New York eine dominante Rolle – nicht nur in der Entwicklung der USA, sondern auch, weil New York die Quelle ist, der die Erzählstränge entspringen.

 

Der historische Roman liest sich zum Teil wie narrative Geschichte und hält auf diese Weise den Leser in seinem Bann. Er beginnt im Jahr 1664 und schließt im Jahr 2001 mit dem 11. September. Über Familien unterschiedlicher Nationalität und/oder mentaler Herkunft schildert der Autor besondere Episoden der politischen, militärischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung. Der Wechsel von Perspektiven, verknüpft mit Personen und dargelegt an Gedanken, Dialogen und familialen Verbindungen über Jahrhunderte, sowie die konkreten Beschreibungen von Ereignissen und deren ideologische, politische, wirtschaftliche Einbettung lassen im Leser nicht nur Teilnahme an Familienverläufen und Einzelschicksalen entstehen, sondern auch Neugier, die dazu motiviert, zum Geschichtsbuch zu greifen.

 

Edward Rutherfurds Roman ist zwar jedweder postmodernistischen Mode abhold – aber deshalb keineswegs langweilig. Das traditionelle oder klassische Erzählschema erscheint hier vielmehr rhizomatisch. Denn die Verbindungen von Personen, Familien, scheinbar flüchtigen oder zerrissenen Fäden werden wachsen im Untergrund weiter und tauchen an überraschenden Stellen des Geschehens wieder auf.

 

Der Roman hat, inklusiv des Nachwortes, 1150 Seiten – und davon ist keine einzige zuviel. Wer begonnen hat, zu lesen, der legt das Buch an einen Ort, zu dem er leicht Zugriff hat. Denn selbst wenn man sich nur eine halbe Stunde Zeit und Muße nimmt – es braucht nur wenige Zeilen des Lesens, und man ist abgetaucht in das Geschehen und in eine Sprache, die ohne Schnörkel auskommt und sich dennoch Raum und Zeit für Ausformulierungen nimmt, in klaren Worten, kreativen Beschreibungen, ohne Pathos und mit einer Anziehungskraft, die vielleicht ein klarer Bergsee mit fünfundzwanzig Grad warmem Wasser hat.

 

Ein Genuss. Entspannung garantiert. Bitte lesen.

Hanspeter Reiter / Regina Mahlmann