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Freiheit statt Kapitalismus

Autor Sahra Wagenknecht
Verlag Campus
ISBN 978-3-593-39731-3

„Über vergessene Ideale, die Eurokrise und unsere Zukunft“ deutet diese „erweiterte NEU-Ausgabe“ den Rundumschlag der Linken-Vize an. Die zum „Redaktionsschluss“ dieser Rezension lt. Medien ihre Dissertation öffentlich verteidigt hat … In öffentlicher Resonanz wiederum wurde angesprochen, sie trete quasi in der Tradition von Ludwig Erhard an. Jedenfalls analysiert sie (messer)scharf, das „Wohlstand für alle“ für die deutsche Politik kein Leitmotiv mehr sei: „Das gebrochene Versprechen Ludwig Erhards“ lautet eine Kapitelüberschrift (S. 45ff.), dazu gibt es abschließend „Erhard reloaded: Wohlstand für alle, nicht irgendwann, sondern jetzt“ (S. 385ff.). Das ist sozusagen ihre zusammen fassende Botschaft an den Leser – und an „alle“, u.a. mit diesem Zitat: „Mehr Gleichheit [kommt] der gesamten Gesellschaft zugute: Alle sind gesünder, nicht nur die am unteren Ende der Stufenleiter.“ Work-Life-Balance, wenn man so will (Thema des GABAL-HIT 2012 Herbst-Impulstages „Weiterbildung für einen ausgewogenen Lebens-„Wandel““). Da gibt es die Diskrepanz von „Homo oeconomics oder soziales Wesen“ und „Wohlstand ist mehr als Einkommen“ (S. 395). Bis dahin räumt sie zunächst mit Mythen vom Wert schaffenden Kapitalismus auf (Unproduktiver Kapitalismus, S. 63ff.) und präsentiert eine neue Form von Sozialismus (Kreativer Sozialismus: Einfach. Produktiv. Gerecht, S. 211ff.), mit einem einleitenden Kapitel zu Anfang „Wir wir dem Euro und Europa eine Zukunft geben“ (S.13ff.). In ihrer Rückschau fasst sie „soziale Marktwirtschaft“ in vier Fundamenten zusammen, die so eben nicht (mehr) gegeben seien (S. 50ff.): 1. Ordnung statt Mitglied, 2. Verhinderung wirtschaftlicher Macht, 3. Persönliche Haftung, 4. Gemischte Wirtschaft. Mit der Finanzwirtschaft und der Finanz- (oder doch Banken-?)Krise beschäftigt sie sich ausgiebig – hierzu gibt es ja auch klare Positionen der Linken. Ihr Fazit: „… Als ihr Ergebnis sind gigantische Geldvermögen entstanden, denen keinerlei reale Wirtschaftsaktivität zugrunde liegt, die aber mit ihren wachsenden Zins- und Renditeansprüchen ebendiese Wirtschaftsaktivität zunehmend hemmen.“ (S. 114) Dieses Auseinanderdriften von realer Wirtschaft und virtueller Finanzwirtschaft analysiert sie vertiefend, indem sie zurück schaut, wie Wirtschaften entstanden ist – und wie es letztlich in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr pervertiert wurde. Übertragen auf ein Kommunikations-Modell, geht es nurmehr um die Sache, es fehlt an Beziehung … So ist „Profit: Vom Wachstumstreiber zum Wohlstandskiller“ geworden (S. 167ff.). Ein paar weitere Stichwörter als Appetizer seien noch genannt: „Fehlkonstruktion „Schuldenbremse““ (S. 215f.) Fazit zu „Auswege aus der Staatsschuldenfalle“ (S. 236f., mit konkreten Vorschlägen von ihr), Privatisierung usw. Ein Buch, das beim Perspektiven-Wechsel hilft! Und den braucht „Wirtschaft“ heute dringender denn je, oder? Und welch offenbar rundum brisantes Thema  mit diesem Buch angestoßen ist, zeigt auch die Serie „Systemfrage – ein neuer Kapitalismus?“ der Süddeutschen Zeitung, u.a. mit der Folge 26 am 09.11.2012: „Attacke auf den Kapitalismus“, nämlich: „Unternehmer investieren in den Erhalt ihrer privaten Produktionsanlagen. Anders ist es bei Gemeingütern wie Fischbeständen in den Meeren oder bei fossilen Brennstoffen. Sie werden häufig von Firmen ganz legal übernutzt. Einige Wissenschaftler wollen den Kapitalismus reformieren und die Natur schützen – über Eigentumspflichten.“ Schau an! Und ein paar Tage davor gab´s einen ausführlichen Artikel mit zwei Infografiken in der gleichen Zeitung: „Das Märchen vom teuren Ökostrom. Studien zeigen: Wind, Wasser und Sonne liefern schon heute die Energie billiger als Atom- und Kohlekraftwerke. Das fällt aber nicht auf. Die hohen Subventionen für konventionelle Erzeuger, die nicht auf der Rechnung erscheien, müssen die Steuerzahler tragen.“ Wasser auf die Mühlen von „Sozialisten“? Siehe Individualisieren von Gewinnen [&] Erträgen, Sozialisieren von Verlusten [&] Kosten …Da ist doch was dran?! – HPR

Hanspeter Reiter