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Der Osten: eine westdeutsche Erfindung

Autor Dirk Oschmann
Verlag ullstein
ISBN 978-3-550-20234-6

„Wie die Konstruktion des Ostens unsere Gesellschaft spaltet“ hat mit seinen gut 200 Seiten ein heftiges Medien-Echo ausgelöst, mit Besprechungen, Analysen und Interviews in Zeitungen etc.

Alles doch noch DDR oder was?
Mit Interesse habe ich diesen Band gelesen und die darin geäußerten Gedanken verfolgt. Abgleichend mit meinen Erfahrungen, die allerdings aus den Jahren 1990-2008 herrühren, mit Vertriebs-Kollegen rund um Brockhaus in den „NBL“: Statt Wessis „rüber“ zu schicken, fanden wir für Brockhaus im Direktvertrieb an Privatkunden seinerzeit engagierte Kollegen aus dem DDR-Akademiker-Milieu – und waren damit erfolgreich… Einfach (auch) deshalb, weil diese Damen und Herren die Befindlichkeiten und Bedürfnisse ihrer „Landsleute“ bestens verstanden haben. Nun aber zu Dirk Oschmann: „»Der Osten hat keine Zukunft, solange er nur als Herkunft begriffen wird.« Was bedeutet es, eine Ost-Identität auferlegt zu bekommen? Eine Identität, die für die wachsende gesellschaftliche Spaltung verantwortlich gemacht wird? Der Attribute wie Populismus, mangelndes Demokratieverständnis, Rassismus, Verschwörungsmythen und Armut zugeschrieben werden? Dirk Oschmann zeigt in seinem augenöffnenden Buch, dass der Westen sich über dreißig Jahre nach dem Mauerfall noch immer als Norm definiert und den Osten als Abweichung. Unsere Medien, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft werden von westdeutschen Perspektiven dominiert. Pointiert durchleuchtet Oschmann, wie dieses Othering unserer Gesellschaft schadet, und initiiert damit eine überfällige Debatte.“ So stark der Autor phasenweise argumentiert mit nachvollziehbarer Analyse, so sehr kommt immer wieder schlicht persönliche Befindlichkeit durch, bis hin zur Larmoyanz: Auch die gab´s „damals“ gelegentlich in den Reihen der Brockhaus-Berater – nämlich immer dann, wenn die Erfolge ausblieben – und mancher gar auf die Nähe zum Inhaber-Chef hoffte, in alter/aller Seilschaft-Tradition… Dem Jammern hat der Autor übrigens ein eigenes Kapitel gewidmet das abschließende und final einordnende 9. nämlich: Sprechen und Sprecher: „Jammern“ – Und aktuell?

Tut sich doch was?
Nun, vielleicht gibt´s ja die eine oder andere Entwicklung in die richtige Richtung? Wobei die Tesla-Fabrik ja wohl nur deshalb dort erbaut wurde, wo sie nun ist, in Brandenburg nämlich, weil 1. Förderung geboten war (und zwar primär des Bundes!!) und 2. Arbeitskräfte vorhanden wie billig einzukaufen sind. Weitere Produktions-Stätten sind ja in Aussicht, ob in Dresden oder Magdeburg – so mag „der Osten“ seine Vorteile doch noch ausspielen… Und, oha: Lutz Seiler aus Gera hat den Georg-Büchner-Preis erhalten, gerade als ich Dirk Oschmanns Buch lese, kurz vorm Ende, am 17. Juli 2023 medial verbreitet. Interessant auch deshalb, weil er hier erwähnt ist, Seite 161, im Kapitel „Kunst im Osten: Alles Gesinnung! – 8.1 Löschung des Textgedächtnisses“. Ich verzichte auf einen Kommentar  …
HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter