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Kristin Lavranstochter: Die Frau

Autor Sigrid Undset
Verlag Kröner
ISBN 978-3-520-62201-3

…ist der zweite Band jener berühmten Trilogie, für die die Autorin 1928 den Literatur-Nobelpreis erhalten hat, »vornehmlich für ihre kraftvollen Schilderungen des nordischen Lebens im Mittelalter« – nämlich im 14. Jahrhundert. 550 Seiten voll von intensivem Geschehen erwarten die Leserschaft.

Ehefrau, Mutter und Herrin
In mehrere Rollen muss sie hinein wachsen, vor 700 Jahren schon eine eigene Herausforderung: Nach ihrem Weggang aus dem Kloster und ihrer Verführung durch Erlend ist die Heldin zwar verheiratet – doch mit einem Geheimnis belastet: „Mit der ›Frucht der Sünde‹ im Leib und einer fürchterlichen Angst im Herzen trifft Kristin Lavranstochter als legitime Ehefrau von Erlend Nikulaussohn auf Husaby ein. Erlend ist derweil vor allem mit Politik, mit Kriegszügen und Intrigen, beschäftigt, vernachlässigt den eigenen Hof aufs Sträflichste, überlässt seiner Frau daneben die Sorge um die gemeinsamen und auch die Kinder mit seiner ehemaligen Geliebten. Als eine geplante Intrige in höchsten Kreisen auffliegt, droht die Katastrophe. Die ganz große Stärke von Sigrid Undset ist, neben atemberaubenden Landschaftsbildern, die Charakterzeichnung, was ihrem großen Roman die seltene Kraft verleiht, dass wir Kristins Freuden und Leiden wirklich miterleben, dass wir mit ihr leiden und lieben, obwohl sie mit einer Zeit und mit Werten zu kämpfen hat, die nicht mehr die unsrigen sind.“ Vielerlei Rituale und Umgangsweisen des Mittelalters finden sich – und erweisen sich als durchaus bis in die heutige Zeit reichend, wenn auch verändert. Und was es bedeutet, in jener Zeit Ehefrau zu sein, wird überdeutlich: Vielfache Mutter – und für diesen Ehemann zudem dito, der ewig pubertär zu bleiben scheint. Mit bösen Folgen …

Das Innenleben
…der Protagonisten öffnet sich in Dialogen – und in Gedanken, die vor den Lesern ausgebreitet werden: Wie kirchliche und weltliche Rahmen einhalten und mit den jeweiligen Vorgaben umgehen? Dazu die Lebensumstände, beeinflusst natürlich durch Klima und Jahreszeiten. Wieder kehrend auch familiäre Bindung als höchst relevantes Gut, Fluch und Segen in einem – in Person von Tochter und Vater, die sich noch rechtzeitig vor Lavrans´ frühem Tod aussprechen. Und in Person von Schwiegersohn und Schwiegervater – doch auch quasi ewig anhaltende mental-psychische Verletzungen, etwa des verlassenenen Verlobten Simon oder eben bei Kristin aus dem Verhalten des Ehemanns. Und doch zeigen sich tiefe Verbindungen, die zudem schon mal Leben retten können… Ja, „der Literaturnobelpreis für die Trilogie ist nur konsequent. Gabriele Haefs hat „Kristin Lavranstochter“ vollständig neu übersetzt, erstmals, wie es scheint, direkt aus dem Norwegischen, so dass nun endlich auch deutsche Leser in den vollen Genuss von Undsets außergewöhnlicher sprachlicher Ausdruckskraft kommen. Band 1: Der Kranz, ist bereits erschienen und von mir hier besprochen, Band 3: Das Kreuz folgte im Frühjahr 2022. Fazit: lesen, sich darauf einlassen, berührt sein und bleiben. PS: Siehe auch meine Rezension zu Jenny, im 20. Jahrhundert spielend. HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

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