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Der Totengräber und der Mord in der Krypta

Autor Oliver Pötzsch
Verlag ullstein
ISBN 978-3-86493-219-9

„Ein neuer Fall für Leopold von Herzfeldt | Die historische Krimireihe mit Wien-Setting: perfekt zum Schmökern“ als No. 3, mit deutlich über 500 Seiten.

Wien zuende des 19. Jahrhunderts
…bringt vielerlei Erkenntnisse für interessierte Leser: Elektrifiziert war wenig, Telefone gab´s gelegentlich, die Tramway war noch eine mit Pferdestärken – und diverse bekannte Persönlichkeiten trieben sich dort herum. Dazu gleich mehr, doch zunächst zur Story: „Inspektor Leopold von Herzfeldt und Totengräber Agustin Rothmayer auf der Spur eines skrupellosen Mörders. – inWien, 1895: In der Gruft unter dem Stephansdom finden Touristen zwischen Knochen und Schädeln eine männliche Leiche: Das Gesicht vor Entsetzen verzerrt, ansonsten unversehrt. Ist der Mann vor Angst gestorben? Was hat ihn dermaßen in Panik versetzt? Während im Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts der Spiritismus grassiert und an jeder Ecke Séancen abgehalten werden [S. 58ff. etc.], pochte der Tote – ein Gelehrter – auf die Naturwissenschaften und deckte Schwindler auf. Hat er sich dabei die Finger verbrannt?“ Und damit sind wir bei einem zentralen Thema dieser Story: Schon (oder auch?) damals breitete sich Antisemitismus stark aus, auch innerhalb der Polizei: neben von Herzfeldt gibt es einen weiteren jüdisch-stämmigen Kollegen, leitend gar. Und der Tote? Ja, jüdischen Glaubens (S. 92f. usw.)… Immer wieder thematisiert sind auch damalige neue kriminalistische Methoden, mit denen der „Piefke“ Leo gelegentlich anstößt, doch dafür offen bleibt (Schusswinkel z.B. S. 27).

Abwechslungsreich also
…kommt die Geschichte daher, zwischen mehreren Fällen tanzend, zugleich immer mal Informatives auch zur Fotografie einbringend – bis hin zur Geister-Fotografie, mehr oder weniger trickreich (z.B. S. 220). So spielt der Autor mit wahren und fiktiven Gegebenheiten, wie es belletristischer Literatur durchaus zukommen darf… Weiter mit zweitem Fall: „Parallel zu den von Leopold von Herzfeldt geführten Ermittlungen wird der Totengräber Augustin Rothmayer durch seine Adoptivtochter Anna auf etwas anderes aufmerksam: Im Waisenhaus der Stadt verschwinden immer wieder Kinder … Vergreift sich jemand an den Schutzlosen oder geht wirklich ein Geist um in der Donaumetropole?“ So steht also Spiritismus im Zentrum, auch beim neuen Buch des Totengräbers, aus dem auch dieses Mal eingangs mancher Kapitel zitiert wird, passend zum folgenden Inhalt. Gelegentlich auch Spirituosen, die mehr oder weniger wirkend  … Wie der Autor aufs Thema gekommen ist, erläutert er im Nachwort S. 521 – „wie immer mit Spoiler-Alarm“: Doch dass er als Youngster sein Taschengeld außer in Süßes auch in eher Saures investiert hat, nämlich: Gespenster-Geschichten-Comics, darf sicherlich zitiert werden…. Apropos – Geister-Fotografen, Schädel-Spezialisten und Krimi-Autoren treten auf, siehe: Arthus Conan Doyle, der seinen Helden Sherlock Holmes soeben hat sterben lassen (S. 146f. usw.). In Wien ist er allerdings u.a. wegen seines starken Interesses am – Spiritismus, genau. Geschickt verwoben bleibt dieser Thriller erfreulicher Weise eben das: spannend, unterhaltsam – und nachdenklich machend. HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter