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Joe Country

Autor Mick Herron
Verlag Diogenes
ISBN 978-3-257-30096-3

„Ein Fall für Jackson Lamb (Slow Horses)“ greift die nur gar zu ernst zu nehmende, eher satirische Geheimdienst-Komödie auf – und bietet erneut Spannend-Unterhaltsam-Informatives auf 480 Seiten. Dieses Mal zentral das Führen von Agenten und die Verantwortung dabei – der „Joes“ eben, daher der Titel… Wobei, es geht auch um Provinz und das Leben dort, etwa: Wales – was mit Routinen Vorteile bieten kann (S. 432).

Geheimdienst at its – worst?!
Gelegentlich fühlte ich mich an „München Mord“ erinnert, eine deutsche TV-Serie mit abgeschobenen Keller-Kindern der hiesigen Mord-Kommission: Schluffis, die „dennoch“ erfolgreich ermitteln, u.a. gegen den Karriere-geilen Chef. Und mit einem Team-Leiter, der scheinbar diverse Macken hat, etwa das Hineinleben ins Mordopfer am Tatort oder das (eher unappetitliche) Mampfen von Gelbwurst. Nun, den gibt´s hier auch – Lamb nämlich, genauso aufmerksam und reaktionsschnell. Vor allem dann gnadenlos zuschlagen, wenn´s keiner erwartet – und durchaus sorgsam beobachtend (S. 124f. usw. usf.)… Und das ist dieses Mal die Story: „In Slough House, dem Abstellgleis des MI5, werden Erinnerungen wach – nur leider keine guten. Cathrine Standish kauft wieder Alkohol, und Louisa Guy wühlt in den Trümmern einer alten Liebe. Jackson Lamb quittiert das höchstens mit Flatulenz und einem Schluck Whiskey, doch selbst ihn holen die dunklen Schatten seiner Vergangenheit ein. Auf der Suche nach einem altbekannten Verräter schickt er seine Truppe ins Feld – aber nicht alle kehren zurück.“ Wer schon den Vorgänger gelesen hat – von mir auch hier rezensiert -, weiß: Ein bunter Mix aus Happy-ending und eben doch „Kollateral-Schäden“ ist geboten, wobei einer davon letztlich auch mit dem Titel zu tun hat, womit der mehrdeutig wird…

Vielerlei wird verwoben
Sprachlich fein formuliert, mit vielerlei Wort-Akrobatik: Kapitel-Ausklänge mit Mehrfach-Interpretation, die sich danach vielleicht in völlig anderer Richtung auflösen (S. 302 vs. 306 z.B.). Allerdings mit Pausen dazwischen, da in rasantem Tanz jeweils unterschiedliche Perspektiven und parallel verlaufende Erzähl-Stränge gemixt sind: Wann werden die zusammen laufen? Und interessant der Blick aufs Internationale, sei es die Kooperation der Geheimdienste verschiedener Länder (oder den Mangel daran) – oder gar misslungener Einfluss des MI5 andernorts (S. 204f. – mehr zu verraten, geriete gen Spoiler-alert  …). Doch letztlich geht´s wieder kehrend nur um eines: Slough House und was „es“ mit seinen Einwohnern anstellt, siehe trefflich S. 359: „…und wenn er lange genüg hier läge, würde er in seine Bausubstanz einsickern und zu einer weiteren Spore in seiner Kultur der lädierten Mittelmäßigkeit werden“ – und damit auch von jener des „Parks“ ablenken, dem eigentlichen MI5-Zentrum, oh mei! Und wie wird´s weiter gehen? Da deutet sich eben für dort was à la Cliffhanger an (S. 462ff.) – und natürlich auch für die Slow Horses (eben im Zusammenhang damit, S. 476), und sei es: Ist Frank wirklich tot? HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter