Berthold Beitz
Autor | Joachim Käppner |
Verlag | Piper TB |
ISBN | 978-3-492-30346-0 |
Ein beeindruckendes Leben, das kurz nach Erscheinen dieser Bio kurz vorm 100. Geburtstag zu Ende gegangen ist. Obwohl, sein Tun wird weit über sein Leben hinaus Wirkung haben. Seien es sein Eingreifen zu Gunsten vieler Juden in der Nazizeit oder sein bis zuletzt wirkender zentraler Einfluss bei Thyssen-Krupp. Hier hat er schließlich (zu spät?!) die „Notbremse“ gezogen und seinen Zögling Cromme aus dem Aufsichtsrat (und von dessen Vorsitz) entfernt, den er eigentlich als seinen Nachfolger bei der Krupp-Stiftung hatte installieren wollen. Vieles habe ich erfahren, was mir neu war, etwa sein starkes Mitwirken als Wirtschaftsboss bei der Ostpolitik, durchaus schon vor Willy Brandt und auch mit ihm. Immer spielten ökonomische Aspekte eine wichtige Rolle, dennoch zeigt ihn der Biograf vor allem als Mensch: Machtbewusst, doch immer auch im Sinne von „Macht bewusst einsetzend“ statt über die Stränge schlagend. Noch steht mein Besuch in der Villa Hügel aus, zum Kunstzentrum entwickelte früheres Domizil der Krupp-Familie. Der Sohn überredet, aus möglichem Erbe auszuscheiden, so den Konzern zu retten – der später mehrfach vor der Zerschlagung steht, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, verhindert von Beitz, auch hier wieder geschickt und konsequent mit „der Politik“ verhandelnd. Das Brasilien-Abenteuer habe er erst nach langem Zögern genehmigt, so die Bio – und wie recht habe er gehabt, mit seiner Vorsicht. Dennoch, verhindert hat er es nicht … Aktuell steigt eine „Heuschrecke“ bei Thyssen-Krupp ein, auch diese Fusionen (vorher mit Hoesch) eine Folge der Entwicklung im Stahlbereich, und zwar: frei von Rüstung, dem hatte Alfried Krupp abgeschworen, der nach dem Krieg von den Alliierten zunächst als Kriegsverbrecher verurteilt und einige Jahre im Gefängnis gehalten wurde. Obwohl er wohl kein Akteur war, dies war sein Vater. Mit Berthold Beitz gelang es ihm, Krupp für sich zu retten, den jener war absolut frei von derlei Belastung. Später wurden ihm (und auch seiner Frau) Ehrungen als „Gerechter“ vonseiten Israels zuteil, gelegentliche Treffen mit seinerzeit wohl ausschließlich durch sein Eingreifen Überlebender waren immer eine sehr emotionale Angelegenheit … Auch Kunst spielte für ihn früh eine wichtige Rolle (S. 272): „Wenn die Aktien fallen, verliere ich mein Geld; wenn meine Bilder fallen, hänge ich sie wieder auf.“ Das mag viele motivieren, in Kunst zu investieren und nicht auf Aktien, wie Beitz! Und zeigt sehr schön, mit welchem trockenem Humor dieser Mann durchs Leben gegangen ist. Willy Brandt lobt ihn, als er in den 1970-er Jahren den Schah von Persien überzeugt, bei Krupp einzusteigen: „Das ist das erste Mal, dass ich davon höre, dass Ölgelder sinnvoll angelegt werden.“ (S. 394) Bald ist zwar der Schah „weg vom Fenster“, doch der Iran hält am Investment fest, bis irgendwann die Verbindung (mit Sperrminorität von 25,04 Prozent!) doch wieder gelöst wird. Als Förderer und Stifter ist er via der Krupp-Stiftung tätig, siehe Folkwang-Museum – und auch persönlich (siehe Kapitel S. 474ff.) – hands-on und manches Mal nach Gutsherren-Art (der er von der Herkunft her nun wahrhaft überhaupt nicht war!), eben: entscheidungsfreudig. All dies wirkt weiter über seine fast 100 Jahr hinaus … Übrigens auch mit reichen Bilderstrecken in Schwarz-Weiß, wirklich illustrierend … HPR