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Die Stimme der Kraken

Autor Ray Nayler
Verlag Tropen
ISBN 978-3-608-50013-4

„Limitierte Erstauflage mit farbigem Buchschnitt“ (hier in einem quasi Kraken-tintigen Farbton) belegt den Trend hin zu inzwischen einfacher möglichen visuellen Markern, hier gar bei einem Hardcover. Mit einem SciFi-haften Wissenschafts-Thriller auf 450 Seiten. Da kamen mir doch gleich diese beiden Autoren n den Sinn: Schätzing (…) und Rossmann (…). Dazu auch J.R.R. Tolkien, der eine eigene Sprache für sein mittelalterliches virtuelles Szenario gefunden hat: Das schafft auch dieser Autor, wenn auch – für eine nichtmenschliche Spezies…

Eine Art Sach-Roman
…bietet sagenhaft tief und breit recherchierten Content, siehe dazu übrigens den „Dank“ S. 459ff. Und das ist die Story, kurz gefasst: „Es gibt außergewöhnliche Lebewesen in den tiefen Wassern vor der Insel Con Dao. Für die Einheimischen sind sie Monster. Für den Großkonzern, dem die Insel gehört, ein lukratives Geschäft. Für das Team der Wissenschaftler, unterstützt vom weltweit ersten Androiden: eine Offenbarung. Ihr Bewusstsein ist anders als unseres. Ihre Körper sind formbar, beweglich, immer in Veränderung. Sie beherrschen intelligente Kommunikation. Und sie wollen, dass wir verschwinden. Der Technologiekonzern DIANIMA hat den abgelegenen Archipel Con Dao abgeriegelt. Eine Krakenart wurde entdeckt, die möglicherweise eine eigene Sprache und Kultur entwickelt hat. Die Meeresbiologin Dr. Ha Nguyen reist zu den Inseln, um mit der neuen Spezies Kontakt aufzunehmen. Mit in ihrem Team: eine kampferprobte Sicherheitsbeamtin und der erste Android der Welt. Doch es dauert nicht lange, bis Mächte auf den Plan treten, die mit den Kraken ganz andere Absichten verfolgen. Ein globaler Wettstreit um Ressourcen und Herrschaft beginnt, bei dem alles auf dem Spiel steht.
Was ist intelligentes Leben? Dieser Thriller stellt diese Frage auf nie dagewesene Weise. Ein atemberaubender Tauchgang zu den Abgründen der menschlichen Zivilisation und den Geheimnissen der Tiefsee.“ Und bringt eine Menge an Wissenswertem, so zum Thema Intelligenz (S. 58f., was macht sie aus?) – und u.a. zu…

Sprache und Kommunikation
Was natürlich mich als Linguist besonders interessiert hat  …. So zu „gendern“ (oder Sexus? S. 34f.), Grammatik etc. (S. 66f.), Symbole (S. 208, S. 380f. usw. – bis hin zu Schrift, je nach Spezies unterschiedlich zu erwarten: S. 422f.), Körper- und Formensprache (S. 238f.) – auch zu Gedächtnis und Erinnern (etwa S. 133 etc . Gedächtnispalast), Gehirne (sic!, S. 179 „Buch-Zitat“ usw.) und KI (z.B. S. 150f., S. 334). Auch Reflektieren über (persönliche) Verantwortung kommt mehrfach vor, siehe etwa S. 308f. Überlegenswert Metaphern à la eigenständiges Agieren von Tochter-Unternehmen in Konzern-Geflechten à la den Kraken-Gehirnen in den Armen, die unabhängig vom Zentral-Gehirn agieren (S. 352f. usw.). Apropos Buch, zu jedem Kapitel gibt´s ein Zitat aus einem von zwei fiktiven, die auf echten basieren, siehe Hinweise in „Dank“.

Mensch und/oder Maschine
…spielt „zu guter Letzt“ eine weitere wichtige Rolle: who is who & what is who? Dies könnten relevante Fragen lauten. Weit davon entfernt, hier beantwortet zu werden, legt der Autor sanft den Finger in mögliche Wunden. Bis dahin, dass mir letztlich auch noch Otherland in den Sinn gekommen ist: Schaffen wir es, unser Bewusstsein, unser Sein in eine andere Form des „Lebens“ zu speichern? Leser sei gespannt auf Evrim als Android und Autono-Mönche – oder auf offenbar eine Kombi-Figur als / mit Abglanz (S. 402f. etc.)… Doch vor allem Evrim als weitere Form einer Spezies (S. 452f.), jenseits von Kraken – mit einer weiteren zu stellenden Frage: Wer ist er/sie – und wenn ja, wie viele? Diese (pseudo?-)philosophische Frage bringe ich nun auch noch an, ursprünglich gestellt von Richard David Precht… Fazit: Eine faszinierende Geschichte, anregend und nachdenklich machend wie kaum eine zweite! Sehr lesenswert auch deshalb, weil: mal ein Utopie, mit durchaus positiven Ein- wie Aussichten… HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter