Was können wir wissen?
Autor | Gerhard Vollmer |
Verlag | Hirzel |
Seiten | 2 Bände |
ISBN | 9783777612485 |
Die zwei Bände des Philosophen und Mitglieds der Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle versammeln Aufsätze aus den 1980er Jahren. Sie bringen das näher, was als Evolutionäre Psychologie oder auch – expressis verbis in Band 2 – als neue Naturphilosophie bezeichnet wird.
Das Alter der nicht aktualisierten Beiträge (aktualisiert sind nur die Literaturangaben) ist ihnen anzumerken, sei es, weil Debatten, die damals noch erregten, inzwischen mit kühlerem Gemüt geführt werden, sei es, weil aktuelle Entwicklungen gerade im Zusammenspiel von Geist, Gehirn, Erkenntnis und digitale Medien, Künstliche Intelligenz, Cyborg notwendig bestenfalls angerissen werden.
Die Lektüre lohnt sich dennoch. Die Evolutionäre Psychologie ist trotz ihrer Tradition wenig bekannt, jedenfalls in außerfachlichen Kreisen. Und dies, obwohl sie zu Möglichkeiten und Grenzen von Erkenntnis und sicherem Wissen durchaus Erwähnenswertes beisteuern kann. Sie erdet vor allem jene, die sich dem (radikalen) Konstruktivismus verpflichtet fühlen (insofern auch eine Ergänzung zu Markus Gabriels Neuem Realismus und Wolfgangs Welschs Überlegungen zum Verhältnis Mensch und Welt). Hinzu kommt, dass die Beiträge, die unabhängig voneinander lesbar sind, ermöglichen, an der gedanklichen Entwicklung und Ausarbeitung der Evolutionären Psychologie und Neuen Naturphilosophie teilzunehmen. Die Redundanz erleichtert den Zugang dabei, nicht zuletzt, weil sich Autor mit naturwissenschaftlichen und frühen konstruktivistischen Positionen, allen voran mit Immanuel Kant, gleichsam dialogisch auseinandersetzt. Die Form der Darstellung variiert – auch dies für den Leser ein Plus. Neben Prosa finden sich tabellarische Übersichten zu Positionen, Argumenten, Fragestellungen und Antworten, und auch gesprächsartige Texte nehmen den Leser mit auf eine Gedankenreise, die zwar in klarer Präferenz geschrieben sind, dennoch die argumentative und kritische Diskussion praktizieren.
Zu bedauern ist, dass der Verlag die ausgiebigen Texteinschübe, die wichtige Überlegungen enthalten und deshalb ebenfalls gelesen werden sollten, in sozusagen Kleinstdruck zeigt. Das erschwert die Lektüre etwas, weil die Augen angestrengt werden.
Jene, die ein eher wissenschaftliches oder philosophisches Interesse daran haben, die Entwicklung der Evolutionären Psychologie/ Neuen Naturphilosophie nachzuvollziehen, ein basales Verständnis für die biologisch-evolutionäre Herleitung von Erkenntnisoptionen, Möglichkeiten und Grenzen, ebenso entwickeln möchten wie die Einbettung in wissenschaftsgeschichtliche und –theoretische Kontexte sowie die Abgrenzung zu anderen Erkenntnistheorien, werden die zwei Bände eine fordernde, Hintergründe liefernde und eine kritische Haltung zu radikal-konstruktivistischen Ideen ermunternde Lektüre sein.
Dr. Regina Mahlmann, www.dr-mahlmann,de