Jacques Tati – sein Leben und seine Kunst
Autor | David Bellos |
Verlag | Mitteldeutscher Verlag |
ISBN | 978-3-96311-879-1 |
Mit „tati-tata“ war er unterwegs, der Tati(cheff), wenn auch primär optisch-pantomimisch (schon zu Schulzeiten, siehe S. 30) statt laut tönend – fast hätte er´s in den berühmten Pantomime-Film „Les enfants du paradis“ geschafft… Der Band mit weit über 500 Seiten zeigt einen Künstler in der Tradition eines Charly Chaplin (dessen Tramp = Vagabund er aufgreift, siehe S. 91ff.) und als Vorläufer eines Mr. Bean…
Monsieur Hulot
Mit dessen erstem Auftritt in seinen Ferien am Meer diese Figur als Charakter des Tati diesem schließlich zum Durchbruch verholfen hat – und die Grundlage für viele andere Projekte bildete: „Jacques Tatis Monsieur Hulot, unverkennbar mit seiner Pfeife, seinem Regenschirm und seinen gestreiften Socken, war eine geniale Slapstick-Kreation, die das Publikum auf der ganzen Welt über die Absurdität des Lebens lachen ließ. David Bello’s Biografie zeichnet Tatis Aufstieg und Fall nach, von seinen Anfängen als Varieté-Mime während der Depression über den Erfolg von „Jour de Fête“ und „Mon Oncle“ bis hin zu „Playtime“, dem grandiosen Meisterwerk, das den gefeierten Regisseur und Oscar-Preisträger in den Bankrott trieb und ihn um finanzielle Unterstützung für die Fertigstellung seiner letzten Filme betteln ließ. Bei der Analyse von Tatis einzigartiger Vision, eines Clowns, dessen filmische Innovation darin bestand, das alltägliche Leben in eine Kunstform zu verwandeln, enthüllt Bellos die komplizierte Inszenierung seiner berühmtesten Gags und stützt sich auf bisher unzugängliche Archive, darunter Filmmaterial, Videos, aufgezeichnete Interviews und frühe Entwürfe von Drehbüchern, sowie die Mithilfe von Tatis Tochter. Herausgekommen ist das Bild eines Mannes, der gleichzeitig engagiert, leidenschaftlich und schüchtern war, mehr Künstler als Geschäftsmann. In der genau recherchierten Darstellung wird Tati sehr lebendig und bleibt, wie auf der Leinwand, seltsam liebenswert.“ Im wirklichen Leben gibt´s natürlich auch Schattenseiten, darunter sein Mix aus Chaos und Perfektion, die Dichotomie von Pseudo-Frauenheld (S. 57) und Familienleben als schon mal aufmerksamer Vater (vs. Verleugnen einer unehelichen Tochter, siehe S.494ff. Nachwort II Helgas Story) – und die Fragezeichen zu einer potenziell antisemitischen Einstellung, „aufgearbeitet“ S. 107f.
Film und Comic
…haben eine Menge gemeinsam: Beide sind als sequenzielle Geschichte aus Einzelbildern zusammen gesetzt, im Comic Panel genannt. Und so ergibt sich eine interessante Nähe von Tatis Wirken zum Comic: Er war Lehrling in der Bilderrahmen-Werkstatt seines Großvaters (geleitet vom Vater) – und hat wohl derlei Rahmen immer im Kopf gehabt, wenn es um seine Filme ging (S. 35ff.). Zahlreiche Abbildungen gewähren Einblick in Film-Sequenzen, manches Mal gar tatsächlich sequenziell (S. 478 z.B. – oder S. 489). Weitere Fundstellen mit Comic-Bezug: S. 177f. „Comic-Sound-Effekte“, etwa „Das „Krach!“ des Comicstrips…“ – und S. 387 indirekt „…verglich er sich … mit einem Maler“ usw. – plus S. 417f. „…fast nichts vom „Narrativ“ wird durch Dialog vermittelt“. – Insgesamt ist diese Biografie ein Füllhorn an Einblicken ins Gestalten, Entwickeln und Realisieren von Filmen, eine wahre Schatzkammer also für alle, die sich darin vertiefen, das Entstehen eines Film besser verstehen wollen etwa das Thema Farbe, S. 165f. usw.), bis hin zum Verhältnis F-USA rund ums Filmen (z.B. S. 206ff. – oder S. 298ff., Truffaut inkl.), auch frühes Produc-Placement (S. 394f.) – im Grunde eine ausführliche, vertiefte Filmografie inklusive! Statt auf die Vielzahl an weiteren (sorry!) Eselsohren einzugehen, die mein Exemplar nun zieren, kann ich schlicht dies empfehlen: Buch holen und lesen … HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de