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Die Könige von Babelsberg

Autor Ralf Günther
Verlag Rowohlt Polaris
ISBN 978-3-463-00055-8

„Fritz Lang und die Akte Rosenthal | Eine fesselnde, weitgehend unerzählte Episode aus seinem Leben“ als Real-Crime-Roman mit weit über 250 Seiten.

Alles Film – und noch viel mehr!
Vordergründig ein Lokalkrimi und/oder Genre-Thriller, bietet dieser Roman tatsächlich deutlich mehr als das: nämlich einen tiefen Blick in die damals vorherrschende (Schein-)Moral – und ein Gesellschaftsbild dieser Zeit. Worum geht es? „War es ein Unfall? Selbstmord? Mord? Der erste Skandal der deutschen Filmgeschichte: Berlin 1920: Fritz Lang und Thea von Harbou sind das Glamourpaar des frühen deutschen Films. Den Regisseur und die Drehbuchautorin verbindet eine Leidenschaft, die weit über das Künstlerische hinausgeht. Das Filmmärchen hat nur einen Haken: Beide sind verheiratet. Als Langs Ehefrau durch einen Schuss zu Tode kommt, steht der junge Kriminalkommissar Beneken vor einem Rätsel: Hat die Frau sich das Leben genommen, weil sie die Schmach des Betrugs nicht ertrug? Wollte sich die Harbou ihrer Nebenbuhlerin entledigen? Oder war Fritz Lang seine Frau lästig geworden? Beneken sucht nach der Wahrheit. Doch keine der Versionen, die die Hauptverdächtigen Lang und Harbou ihm präsentieren, scheint mit den Fakten übereinzustimmen. Je tiefer der Kommissar in die schillernde Welt der Filmsets, der Künstlerpartys und Nachtclubs eintaucht, umso mehr gerät er selbst in Gefahr. Und muss erkennen, dass die Wahrheit immer ihren Preis hat …“ Weil der Kommissar selbst ein Geheimnis mit sich trägt, vielmehr mit sich, mit dem er zurecht kommen muss, mehr und mehr angedeutet ab S. 95, schließlich erlebbar ausgeführt – bis zum „wie damit umgehen?“ (S. 135ff. etc., schließlich S. 195ff.).

Realities?!
Sorry, das musste ich klauen, weil passend: Ich schreibe diese Rezension am dritten Tag der diesjährigen MTM (Medientage München), die eben unter diesem Motto laufen . Das hier ebenfalls zutrifft – denn: Der Autor entwickelt die Story geschickt in Sprüngen, die an den damaligen Film erinnert. Und er lässt die (Haupt-)Figuren sensibel um „die Wahrheit“ ringen, die nur bedingt an die Oberfläche dringen darf – wobei manches Verhör eher zum Interview gerät… Was zudem auf einer wahren Geschichte beruht, wie das Nachwort ausführlich darlegt (S. 255ff.) – und so einer Reihe von historischen Persönlichkeiten kurze Auftritte verschafft – wobei Marlene (Dietrich) erst noch am Aufsteigen war und nur indirekt durch die Wahl ihres Namens ins Spiel kommt. Angedeutet ist der (wirklich erst?) beginnende Antisemitismus auch durch die Kombination zweier Frauennamen (Lilly + Marlene = Lilli Marleen, späteres Frontlied von Lale Andersen, wegen ihrer Verbindung zu Juden von Goebbels verboten), auch zur Figur des Regisseurs Lubitsch, dazu zur Familie der Lisa Lang, geb. eben – Rosenthal… Fein verwoben wird die Technik des Filmens dieser Zeit, die noch eine des Stummfilms war – dazu das Wirken von filmischen Geschichten an sich. Auch Karl May kommt mehrfach vor, u.a. S. 37, dessen Werke ja später vielfach verfilmt wurden – ein interessanter Seitenblick. Vielfach wirksam also, dieses Buch: spannend, unterhaltsam, informativ – und nachdenklich machend. HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter