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Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet

Autor Bauer/Gigerenzer/Krämer
Verlag Campus
ISBN 978-3-593-50030-0

„Über Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik“ untertitelt dieses lesenswerte Sachbuch und führt damit einen Begriff ein, den die Autoren geprägt haben: Regelmäßig findet sich die „Unstatistik des Monats“ im Internet, nämlich auf www.unstatistik.de. Viele Aspekte habe ich wieder gefunden, die ich selbst schon in diversen Publikationen adressiert hatte, siehe fehlerhaftes Nutzen von Prozent-Zahlen (Prozentpunkte vs. Prozent-Anteile), falsches Übersetzen à la 40 Prozent = jeder vierte und dergleichen mehr. Doch die Autoren gehen viel tiefer, befassen sich mit Aussagen von Studien, etwa der Pharma-Industrie und kreiden „der Wissenschaft“ an, wenig sachgemäß mit kaum fundierten Pseudo-Ergebnissen umzugehen. Und „den Medien“, möglichst spektakuläre „Ergebnisse“ breit treten zu wollen, die in Wahrheit genau das nicht sind: spektakulär. Fälle wie das Umgehen mit Zahlen zu Prostata- und Brustkrebs kennt Leser wahrscheinlich schon aus eben „den Medien“, die dazu in den vergangenen Jahren erfreulich de-spektakulierend berichtet haben, siehe Sinn und Unsinn von Massen-Screening via Mammografie. Doch das wiederum ist im Grunde spektakulär, weswegen es wieder einen medialen Effekt erzielen kann … Andere Themen sind z.B.: „Der geheime Grenzwertkrieg“ (S. 48ff.), wo es um  potenziell giftige Bestandteile im Essen bzw. potenziell Gesundheit fördernde Vitamine und andere Nahrungs-Ergänzungsstoffe geht. Oder Berechnungs-Varianten von Arbeitslosen-Zahlen national wie international und mit dem Umgang damit je nach Regierungs-Beteiligung und/oder Nähe eines Wahltermins (u.a. sehr gut erklärende Grafik S. 108 – generell gut gelungene Illustrationen, die Aussagen zu visualisieren!). Geht der Anteil von Selbsttötung mit wachsendem Alter tatsächlich zurück, wie Grafiken aus Studien suggerieren (S. 152ff. „Wird man mit dem Alter glücklicher?“)? Nein, denn hier liegt der Fehler darin, absolute Zahlen zu nehmen statt Anteilen, bezogen auf die jeweilige Gesamtzahl einer Alters-Kohorte: Das Gegenteil ist der Fall! Aktuell passt das zur Meldung (Mitte Oktober 2014), der vormalige MDR-Intendant Dr. Udo Reiter habe (mit 70 Jahren) seinem Leben ein selbst bestimmtes Ende gesetzt … Natürlich gibt es auch die andere Seite der Medaille: Wenn´s passt, werde mit Prozent-Anteilen verglichen statt mit absoluten Zahlen, was häufig zu völlig fehlerhaften Aussagen führe. Die gerne zitiert werden, wenn sie einer Person oder Richtung in den Kram passe (meine Worte) … Was kann „man“ tun, vor derlei falschen Interpretationen (einigermaßen) gefeit zu sein, auch und gerade als Berater oder Trainer, in der Weiterbildung generell? Dazu bieten die Autoren ein 10-Punkte-Programm im „Epilog“ (S. 198f.) – und zitieren darin einleitend auch noch den Klassiker „Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe“. Und sie räumen damit gleich mit einem anderen Irrtum auf, dieses Mal jenseits von Statistik: „… oft irrtümlicherweise mit Winston Churchill in Verbindung gebracht, ist mit großer Wahrscheinlichkeit auf Joseph Goebbels und sein Reichspropagandaministerium zurückzuführen“. Nun, das glaube ich jetzt tatsächlich – auch, weil der „Kontext“ passt … Und was mir an den Büchern aus dem campus-Verlag immer wieder gefällt ist, dass ein Lesezeichen beiliegt: Zwei Fliegen mit einer Klappe werden damit sozusagen geschlagen. Denn derlei ist in der Herstellung günstiger als eine Lesebändchen – und damit lässt sich zugleich für weitere Verlags-Titel werben. Ach ja, „drei Fliegen“: Denn ein solches Lesezeichen lässt sich wieder verwenden, in Büchern anderer Verlage, die jenen Service unterlassen … HPR

Hanspeter Reiter