Die Hexe von Nassau

Da wird Geschichte aufgearbeitet – Hexen-Prozesse aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Und das als historischer Thriller, wirklich exzellent recherchiert und spannend in der Dramaturgie: Kann es da überhaupt noch ein happy-end(ing) geben? Das muss Leser selbst erlesen. Und bis dorthin mal die Sicht des obsessiven Hexen-Verfolgers und Henkers erdulden, der hier als absoluter Sadist rüber kommt. Voll in seinem Griff der schwache Graf, der willig seinen Einflüsterern folgt, darunter auch sein Verwaltungschef, der eine Zeitlang tatsächlich daran glaubt, hier seien Hexen am Werk. Die Angehörigen der „Hexen“, die Folter und Tod erleiden müssen, bis hin zum Priester, der auch „blind“ den kaum mehr kirchlichen Vorgaben einer eigentlich nicht vorhandenen Inquisition folgt. Selbst dann, als es um seine Herzallerliebste geht. Und doch scheint es, als könne er mit der Hauptperson des Romans doch noch zusammen kommen, bei deren Flucht aus dem Idstein des Jahres 1676 im Herzogtum Nassau hinüber nach Frankfurt. Als weitere Randgruppe kommen Zigeuner ins Spiel. Geschickt versteht es die Autorin zudem, interkulturelle Aspekte einzuflechten: Mehr als 600 Seiten Lesevergnügen, wenn auch teils mit Schauder – und letztlich gar weiter bildend. HPR

Hanspeter Reiter