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Der Trafikant

Autor Robert Seethaler
Verlag Kein und Aber
ISBN 978-3-0369-5909-2

Einen völlig anderen Blick auf Sigmund Freud gewinnt der Leser durch diese Geschichte „ des jungen Franz, seiner Liebe zu Anezka und seiner Freundschaft mit Sigmund Freud im Wien der Dreißigerjahre“. Eine Geschichte des Erwachsenwerdens mit erster Liebe und Enttäuschung, ausgerechnet mit einer leichtlebigen Böhmin, über die Franz zudem in Nazi-Geschehen verwickelt wird. Wie vorher schon sein Chef, der Trafikant, einem einsamen Veteran des Ersten Erdkriegs, in dem er ein Bein verloren hat. Er hat sich sein Leben eingerichtet, bis die Nazis nach Wien kommen: Als Jude hat er nur bedingte Überlebens-Chance. Im Hinterzimmer der Trafik findet Franz Unterschlupf, zunächst als Azubi, schließlich als Nachfolger. Einer der Stammkunden ist Freud: Wie andere, kauft er ein bestimmtes Blatt und Tabakwaren. Franz begleitet ihn als Träger – und weil er ihn naiv einfach anspricht und seine Gedanken äußert, entwickelt sich eine besondere Art der Freundschaft. Seinen Liebeskummer kann jedoch auch der große Psychiater nicht lösen, trotzdem Franz „natürlich“ auch träumt – und ihm darüber berichtet … Des großen Meisters knurrige Tipps bleiben sehr allgemein. Hoch betagt, lebt er mit Frau und Tochter einige Straßen weiter und bricht gelegentlich aus dem besorgt-freundlichen Diktat eben der Tochter aus, durchaus mithilfe des jungen Freundes Franz. Der erlebt bald einen zweiten und dritten Trennungsschmerz: Erst Anezka, die durch die Umstände gezwungen sich zum Liebchen eines Nazi-Offiziers macht. Schließlich Freud, der gezwungen wird, nach England zu emigrieren, wo er bald sterben wird. Das alles wird dem Franz zuviel und er leistet Widerstand gegen die, die seine neue Welt zerstören, recht weitab von seiner eigentlichen Heimat, in besonderer Form … Herz zerreißend, Perspektive schaffend, bewegend geschrieben. HPR

Hanspeter Reiter