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Verschwörung in Wien

Autor Karl May
Verlag Karl-May-Verlag
ISBN 978-3-7802-0090-7

Namensgeber für diesen Band, der die Reihe der Romane und Erzählungen schließt, vor den folgenden (schon erschienenen) Brief-Bänden, ist eine längere Geschichte: Dort greift der Autor Motive und Personen früherer Bände auf (siehe Band 66 Gesammelte Werke „Der Peitschenmüller“) und setzt sie fort. Das vielfach wieder kehrende Motiv unglücklicher Liebe, verbunden mit jenem des heimlichen Bösewichts, dazu der Retter: All dies findet sich hier geschickt verwoben, mehrere Spannungs-Bögen schaffend und den Leser immer wieder neu fesselnd. Warum darum herum ausgerechnet jene Sequenzen und Erzählungen (teils auch bereits veröffentlichte, jedoch hier in anderer Version präsentierte) versammelt sind, ergibt sich aus dem Vorwort von Christoph F. Lorenz wie aus den erläuternden Texten zu den Sequenzen des Bandes, die verstehen und erschließen helfen, was den Autor bewegt haben mag. Das heißt, Sammler der Werke wie auch „Einzel-Leser“ dieses Bandes werden bestens bedient, Autor wie Geschichten wie auch Editionen (noch) besser zu verstehen. Wer einfach nur „seinen“ Karl May in einer weiteren Facette lesen möchte, mag auf jene ergänzenden Texte verzichten. Lesen muss man´s selbst, sich einlassen auf den sicher besonderen Stil von Karl May. Den mancher gar zu gern endlich als Lektüre im Deutsch-Unterricht sehen würde, z.B. auch Kollege Andreas Hock, wie ich gerade erst lesen konnte, in seiner Neu-Erscheinung „Bin ich denn der Einzigste hier, wo Deutsch kann?“ (riva). In jener Sequenz, in der sich intensiv mit den Erschwernissen im Deutsch-Unterricht auseinander setzt, entstehend meist durch die falsch platzierte Wahl der Lektüren: „Allein die Tatsache, dass May niemals den Wilden Westen bereiste und auch Amerika als solches erst nach der Erstellung seiner Geschichten besuchte, Landschaften und Leute aber um Lichtjahre anschaulicher beschreiben konnte, als jeder Reisejournalist das heute je in einem umfangreich bebilderten Blog oder ähnlichem neumodischen Unsinn könnte, war ganz große Kunst. Auch sein Spannungsaufbau musste sich vor dem großer Prosa nicht verstecken, und philosophische oder komische Momente fanden unsere Großeltern, unsere Eltern und wir ebenfalls zuhauf in den Winnetou-Büchern, im Schatz im Silbersee oder dem Ölprinz.“ (S. 26) – oder auch in diesem neu erschienenen Band, mag man ergänzen. Nun, ich hätte das vielleicht weniger polemisch ausgedrückt, doch legt Hock bewusst provozierend den Finger in die Wunde … Auch für mich ist das eine Art Reminiszenz an meine Jugend – und meinen Vater, der – früh verstorben – meinem Bruder und mir Karl May „erlaubte“. Inzwischen ist die (später nach und nach von mir ergänzte) Sammlung bei eben diesem Bruder. Erinnert fühlte ich mich durch die Ergänzungen auch an Band 23 „Auf fremden Pfaden“ – darin: „Der Talisman“. Eine Geschichte, die weit im nördlichen Skandinaviens spielt, bei den „Lappen“ = Samen, mit vielerlei Belegen aus der Original-Sprache, zitiert nach Unterlagen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Siehe dieses Beispiel: „… Nein. Etnatjam1, wo ist er geblieben?“ „Draußen im Wald.“ „Im Wald? Im Wuorai2? Wenn nun ein Bär, ein Wolf oder gar ein Wuoikenes3 ihn überfällt! Weshalb ist er im Wald geblieben?“ „Er sah einen Mann, dem er gefolgt ist. Es war ein Ammats4, der sich vor uns verbergen wollte.“ „Tije lepet takkam jermetipme – ihr habt unverständig gehandelt. Dieser Fremde ist vielleicht ein Rentiertöter, der viele Waffen bei sich hat. Warum habt ihr den Vater allein gelassen?“ „Sotn le trawam nau – er hat es befohlen.“ „Dann habt ihr ihm gehorchen müssen“, beruhigte sie sich. „Was er befiehlt, das muss geschehen, denn er weiß, was er tut.“ (im Original mit Absätzen; die Fußnoten erläutern jene Begriffe, die ohne Übersetzung genannt sind. S. 16 der Geschichte.)

Hanspeter Reiter