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Pfingstopfer

Autor Ulrich Woelk
Verlag dtv premium
ISBN 978-3-423-26048-0

Wow, das ließe sich fast als Dokufiktion bezeichnen, was der Autor bietet, im Grunde nur im Rahmen einer Krimi-Handlung: Eine freikirchliche (Pfingst-)Gemeinde spielt eine Rolle, zusammen mit ihrem etwas dubiosen Prediger, der extra aus Hamburg nach Husum gereist kommt – und eine Auseinandersetzung mit einem Hirnforscher. Beide Perspektiven tritt Woelk durchaus breit, und zwar in Dialoge eingebettet und leicht verständlich. Kreationisten in Deutschland, die weit von sich weisen, eine Sekte zu sein? In der Tat, gibt es. Es ist kaum der Namens-Ähnlichkeit des Autors zum neuen Kölner Kardinal zu Woelki geschuldet, dass er dieses Thema aufgreift und Wissen mit Wille (gibt es ihn?) und Glaube in Beziehung zueinander setzt, inkl. Diskussionen mit einem Psychologen mit Vergleichen zum Norweger Breivik (S. 200) – und zum deutschen Schulsystem (S. 240f.): „Politiker handeln doch nicht aufgrund von Überzeugungen! In allen Bundesländern versuchen evangelikale Schulen die Naturwissenschaften durch biblische Lehren zu relativieren … Aus bildungspolitischer Sicht lebt es sich mit dem biblischen Schöpfungsbereich viel leichter. Der ist schnell gelernt und kostet nichts“, weil vielerlei naturwissenschaftlicher Unterricht inkl. dafür notwendiger Ausstattung entfallen könne: US-Zustände in D? Hmm, kürzlich gab es eine TV-Sendung „Vom Plan zum Planeten“, im den vom „Baumeister“ dir Rede war, was dann doch schon stutzen lässt … Dazu menschlich Allzumenschliches: Eine Prostituierte stirbt, sie wurde offenbar geopfert. Steckt ihr eifersüchtiger Freund dahinter, seines Zeichens Tätowierer? Oder ihr neuer Stammkunde, scheinbar der ins Spiel kommende Hirnforscher, dessen Institut gefährdet ist? Und Anton Glauberg selbst ist hin und her gerissen: Seine (getrennt lebende) Ehefrau in der Psychiatrie, der ihm ferne Sohn ein Dealer – und dann taucht Paula Reinhardt wieder auf, die im vorigen Krimi zu diesem Ermittler eine zentrale Rolle spielte („Die letzte Vorstellung“) und ihn doch einigermaßen verwirrt. Der exzellent versteckt aufgebaute Plot löst vorherige scheinbare Verknotungen … Weit mehr als ein Lokalkrimi also! „Ein fesselnder, eindringlicher Roman über religiösen Fundamentalismus, die neueste Hirnforschung und zwar Menschen auf der Suche nach ihrer Wahrheit.“ Als Originalausgabe eines sehr vielseitigen Autors, wie sein Portfolio bei dtv zeigt. HPR

Hanspeter Reiter