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Still

Autor Thomas Raab
Verlag droemer
ISBN 978-3-426-19956-5

Diese „Chronik eines Mörders“ ist schon recht „harte Kost“: Scheinbar stille Tragik, weit diesseits klassischer Thriller-Auftritte, doch gerade in seiner ruhigen Art heftig, wie viele Leichen Karl Heidemann hinterlässt, auf seiner Flucht – in die Stille. Hyperakusis ist gar nichts gegen das, wie das Baby seine Umwelt erlebt: Jedes Geräusch verstärkt, in einer Kakophonie grausiger Art. Niemand versteht, warum der kleine Karl immer schreit und so Eltern und alle Dorfbewohner verrückt macht. Für ihn liegt das Paradies in der Stille, das für ihn schließlich im Keller des Elternhauses eingerichtet wird, in der Sauna. Bis durch ein weniger günstiges Zusammenspielen von Umständen er erlebt, wie die Mutter Stille genießen kann: im Tod, sie geht ins Wasser, vor seinen Augen … Er meint zu begreifen, dass dies eine Gottesgabe ist, schließlich ist Stille für ihn das höchst Erstrebenswerte. Doch als er weiteren Menschen diese Stille „schenkt“, muss er auch lernen, dass dies vielleicht ein falscher Weg ist – er flieht aus dem Dorf, bevor klar wird, dass er hinter den Morden steckt. Nach und nach schafft er es, sich Oasen der Stille zu sichern, auch mithilfe von Ohrstöpseln. Und im fernen Kloster findet er Frieden – vorüber gehend, kehrt zurück dorthin, wo jenes Mädchen lebt, das er zwischendurch entdeckt hatte, der er meinte, zu helfen, gegen den aggressiven Vater. Der ermittelnde Polizist kommt erneut ins Spiel – läuft nun alles auf einen großen Showdown zu? Eher weniger zu erwarten, beim ruhigen Lauf dieser Geschichte eines Mörders, der doch weit jenseits „normalen“ Verständnisses lebt und handelt. – Ist dieser Thriller zugleich ein Plädoyer, sich mehr um jene zu kümmern, die als Außenseiter ihr Leben fristen müssen? Hätte früh(er)zeitiges Eingreifen Karl Heidemann helfen können, ein anderes Verständnis zu entwickeln, was sein Bedürfnis nach Stille anging – das ein anderes war als das anderer Personen? Auch das Thema Sterbehilfe rückt in den Fokus: Wo ist die Grenze? Ein starker Roman … Mit Anklängen an „Parfüm“ von Patrick Süskind, auch wegen des einen extrem verstärkten Sinnes. Und absolut wortgewaltig, im „Still-„Sein … HPR

Hanspeter Reiter